DUM NR. 95

THEMA: STATUSSYMBOLE – ICH KAUF DEIN LEBEN!
Mit: Katherina Braschel – Interview * Yannick Steinkellner * Erik Müller * Michael Burgholzer * Markus Böhm * Teresa Urich * Aylin Ünal * Daniela Dangl * Helmut Michael Schmid * Olaf Lahayne * Katharina Ludwig * Barbara Eichinger * Valeria Anna Lampert * Christine Steindorfer * Doris Leeb * Annemarie Regensburger * Martin Peichl * Simone Rauhofer * Jasmin Gerstmayr * Barbara Rieger * Anna Neuwirth * Franz Friedrich Kovacs * Sonja Bulker * flimmern.fischen

Rezensionen: Dominik Barta – Vom Land * Birgit Pölzl – Von wegen * Markus Prem – Durch’s wilde Lyrikstan / Markus Grundtner – Planet im Ausverkauf / Reinhard Wegerth – Fußgänger Sprachsänger

Zeichnungen: Eckholz, Oleg Estis

Preis: EUR 4.- (EUR 7.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 15.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.


DUM-Interview: "SCHLAGLÖCHER DES ALLTÄGLICHEN" mit Katherina Braschel



Leseproben aus DUM 95:


FAST SCHULDENFREI
(Barbara Rieger)

das Haus: eine halbe halb renovierte Burg
  (Bahndamm statt Burggraben)

die Stadtwohnung mit Abendsonne
  (und andere Träume)

eine schillernde Uhr am Handgelenk
ein glänzender Ring, vielleicht, ein
  neuer Name

so viele Kinder wie Bücher und Bücher
  wie Kinder, wann werde ich aufhören
   ZU VERGLEICHEN

ein Doktortitel: im Fremdsein
  (ich arbeite dran)
und meine Führungsqualitäten: in den Untergang
...



MARKO
(Yannick Steinkellner)

Dann, wenn die Hymne ausklingt und der österreichische Sportkommentator wieder einsetzt, um das Bewegtbild auf Deutsch zu kommentieren, dabei aber regelmäßig über die langgezogenen Vokale seiner Muttersprache stolpert.
Dann, wenn der Schiedsrichter nach erfolgreich geschnepftem Münzwurf und vollzogener Seitenwahl das Spielgerät in Händen gen Mittelpunkt tragend noch ein Mal kurz auf die Ränge späht, wo die Stiegl-Bier-Fähnchen im Publikum eifrig wackeln und rot-weiß-rote Schminke auf den Rängen mit den süßen Tränen des Sportpatriotismus vom fleißigen "I am from Austria"-Singen bereits vermischt in die Plastikbecher tropft und sich mit elektrolythaltigem Kaltgetränk der Fähnchenmarke vermengt.
Dann, wenn der Platzsprecher mit hochroter Birne und weißem Haupthaar "IMMER WIEDER, IMMER WIEDER, IMMER WIEDER ÖSTERREICH" in die bis zum Anschlag aufgedrehte Stadionanlage brüllt.
Dann fällt mein Blick von der Tribüne hinterm Tor aus auf den linken Flügel des Spielfeldes, wo an der Mittellinie

  ein Stier von einem Mann,
    ein Kunstwerk von einem Menschen,
      ein seliges Abbild von einem Kicker

mit seinen genoppten Hufen im Grün scharrt und den Anpfiff kaum erwarten kann. Die Sieben prangt am Trikot, das Goldketterl um den Hals und alle Augen nur auf sich gerichtet steht er da und schaut. Ja, er schaut einfach nur. Wie ein Erdmännchen, bereit zur Fütterung reckt er seine Nase und riecht: Es ist angerichtet. Das ist das Ambiente, auf das er hingearbeitet hat. Seine Vernissage in der Wiener Galerie zu Ernst Happel. Er, der große Sohn dieser Weltkulturhauptstadt, hat sich erbarmt, aus dem Vereinsfußball heimzukehren, um sein Handwerk mit dem Fuß zu präsentieren, und seine Heimat hat ihn nicht enttäuscht: Sie alle sind gekommen, um zu sehen, wie er ein neues Kunstwerk auf den Platz zaubern wird.
...



24 KARAT
(Aylin Ünal)

Und sie hat sich so auserwählt gefühlt, weil jemand wie er mit jemandem wie sie und so. Das war für sie so 24-Karat-Liebe, you know, wenn ich bling sage, meine ich bling, also ich meine BLING, Mann.
Es fing an, an der Bar, wo sie saß und er stehen blieb, und er quatscht sie an, nicht billig, sondern mit Tiefe, you know, seine Stimme lässt alle anderen Töne erlöschen und er lächelt, bis das Eis in ihrem Mojito schmilzt. Ein paar Sätze länger, ein paar Blicke tiefer und dann ein paar Straßen weiter und ein paar Stockwerke höher und sie auf dem höchsten Punkt und dann er.
Vor dem Fenster die Lichter der Stadt und sie bleibt über Nacht. Sie schaut, wie er atmet und wie anders er ist, wenn er schläft. Die Wangen, die Stirn, alles prägt sie sich ein, für später, weil sie ihn sehen will, wenn er nicht da ist.
Der Moment, als sie aufwacht und er liegt noch neben ihr, ganz anders als in den Filmen, du weißt schon. Und er sagt, mit ihr ist einfach ein flow und sie glaubt ihm. Und er sagt, mit ihr ist es special, you know, und sie glaubt ihm. Und er sagt, ihre pussy ist wie 24 Karat und sie glaubt ihm.
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ÖSTERREICH, EIN SPERRGEBIET
(Martin Peichl)

Drei Jahre Fernbeziehung sind genug, findest du, und ob es da noch irgendetwas gibt, dass du wissen solltest, bevor du deine Wohnung in Berlin kündigst und nach Wien ziehst. Also abgesehen davon, dass bei uns die AfD FPÖ heißt und wir uns schon lange nicht mehr die Frage stellen, ob sie in der Regierung sein werden, sondern: wann das nächste Mal. Abgesehen davon, dass unser Bundeskanzler den Spitznamen "Baby-Hitler" und anscheinend einen Fetisch für hässliche Bilder und ertrinkende Menschen hat, den er dank der Unterstützung der österreichischen Wählerinnen und Wähler auch offen zur Schau stellen darf.

Ich weiß, du stellst es dir spannend vor, diesen Umbau von einer verhältnismäßig offenen Gesellschaft in eine illiberale Demokratie hautnah mitzuerleben. Mitanzusehen, wie systematisch jede Form von demokratischem Diskurs untergraben und zerstört wird. Wie Chefredakteurinnen und Chefredakteure von Tageszeitungen ausgetauscht werden, wie mehr und mehr Zeitungen eins zu eins die Pressemeldungen der Regierungsparteien ohne Kommentierung, ohne Recherche, ohne Kritik abdrucken, nur mehr Fotos verwenden, die vom Kanzleramt zur Verfügung gestellt oder freigegeben werden. Vielleicht wirst du ein Buch darüber schreiben, ein Skript, vielleicht geht sich eine ganze Serie aus, ich weiß, die Aussicht auf ein Ende der Fernbeziehung ist ein Grund, aber da ist auch deine Faszination für langsame Autounfälle, für ungewöhnliche Krankheitsverläufe, die Tatsache, dass du immer schon herausfinden wolltest, wie tief man sich schneiden kann: mit harmlosen Dingen wie Papier.

Ob du noch irgendetwas wissen solltest, fragst du, und ich: weiß nicht, wo ich anfangen soll. Also schreibe ich eine Liste, ein Sammelsurium von Warnhinweisen, 24 FUN FACTS ÜBER ÖSTERREICH, habe dir vielleicht versehentlich einen Adventkalender gebastelt - und du kannst dir aussuchen, wann du welches Türchen öffnen möchtest.

FUN FACT 1: Im Waldviertel gibt es einen UFO-Landeplatz.

FUN FACT 2: In Österreich repariert man Dinge und Menschen mit kleinen Mengen Bier. Das REPARATURSEIDL ist unser Nationalgetränk. Und weil ein Bier (aus österreichischer Sicht) kein Bier ist, bestellt man gleich noch ein zweites und ein drittes, bis man sich wieder repariert fühlt.
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I MECHAD A
(Jasmin Gerstmayr)

I mechad a des haum, wos du host
A sauschoarfe Frau mit Cup D
und an frischputzten 5er BMW

I mechad a des haum, wos du host
Zwa Kinda, an Hund; olle foign's
Se mochn wos'd sogst, genauso wie's soin

I mechad a des haum, wos du host
Dei großes Haus und dei Hockn
Waun i des ois hätt, i dad's net pockn

I mechad a des haum, wos du host
Oba daun foit ma ei
dass dei Frau mit unsam Postla
seit zwa Johr wos renna hod
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