DUM NR. 73

THEMA: KRIEG
wo geht es hin
Mit: Elias Hirschl - Interview * Dirk Alt * Philmarie Theatdaggres * Stephan Groetzner * SAID * Barbara Eder * Simone Scharbert * Tom Alexander Köck * Marko Kovač * Christian Schreibmüller * Tanja Hanika * Mario Keszner * Daniela Chana * Alke Stachler * Sven Daubenmerkl * Ernst Karner * Margit Heumann * Andi Pianka * Mieze Medusa * Christine Teichmann * Werner Schwarz * Horst Leiwig * Markus Prem * Der Wortvertreter

Rezensionen: Elias Hirschl - Der einzige Dorfbewohner mit Dorfanschluss * Manfred Wieninger - Die Banalität des Guten * Franziska Gerstenberg - Spiel mit mir

Preis: EUR 3,30.- (EUR 5.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
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DUM-Interview: "Zwerghamster, Adlerbriefe und Killertomaten" mit Elias Hirschl


Leseproben aus DUM 73:

DER ENDZEIT-TOURIST
(Dirk Alt)

Ganz schönes Gedränge heute, nicht wahr? Entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche, doch konnte ich Ihrem Gesicht ablesen, dass es Sie genauso stört wie mich. Sie wissen, was ich meine. Die Enge, die Beklemmung, den allgegenwärtigen Lärm des Menschenbreis, der durch die Einkaufsstraßen quillt und, getrieben von Raffgier und Eitelkeit, an die gläsernen Fassaden der Warenhäuser brandet. Diese Stadt ist das Ebenbild der Menschen, die sie bewohnen: innerlich genauso verrottet, wimmelnd von Krankheitskeimen. Den Dreck und den Gestank überstrahlen die Konsumangebote, mit denen die Bedürftigen ihre Leere füllen. Die Hölle kann nicht scheußlicher sein!

Ich weiß zwar nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin dessen überdrüssig. Sie auch? Geben Sie es zu: es langweilt Sie, manchmal widert es Sie sogar an, und regelmäßig würden Sie der Massengesellschaft am liebsten den Rücken kehren - wenn Sie nur könnten. In diesen Momenten möchten Sie sich zurückziehen in eine Welt, die nicht von dieser Welt zu sein scheint, weil sie befreit ist von der Rastlosigkeit, der zerstörerischen Technik und der mentalen Verpestung unserer Gegenwart. - Wissen Sie, ich glaube ... ich hätte da was für Sie. Wenn Sie ein paar Minuten erübrigen können, dann folgen Sie mir. Stellen wir uns einmal vor, dieses Gewimmel um uns herum käme plötzlich zum Erliegen, würde von einem Augenblick auf den anderen unterbunden werden. Sie haben Recht, dafür bedürfte es einer Ausnahmesituation.
Lassen Sie mich überlegen.
Ein Stromausfall?
Wirtschaftskrise?
Eine Epidemie?
...


DER HOBBES UND SEIN WOLF
(Simone Scharbert)

will eigentlich nicht darüber
schreiben gerade obwohl
in aller munde das wort
aber kann es nicht schlucken
an diesem januartag so laut
im radio zufällig ein buch so leise
auf meinem tisch blättere seiten
und krieche in wolkenpumpen
spiele mit DADA beklebt
zeitungen tauschen buchstaben
PEGIDA grinst hämisch aus
zu vielen ecken brüllt schweizer
modell
krächzt lügenpresse
zündet parolen kriegerische
töne ich aber lese der mensch
ist ein wolf, der kuckuck ruft

also doch besser schreiben
als zu viel zu schlucken
weil am ende sonst wieder
der hobbes und sein wolf gewinnen


HERR WENZEL UND DER MAULWURF oder DER KRIEG UM DIE HÜGEL
(Tanja Hanika)

Wenn Herr Wenzel sich früh morgens aus dem Bett quälte, glitt sein erster Blick zum Fenster hinaus. Das dort liegende Kriegsgebiet bereitete ihm schon lange Sorgen und hatte ihm mancherlei schlaflose Nacht beschert. Die Zone, in die der Feind eingedrungen war, und die er wieder und wieder neu verschandelte, war Wenzels eigener Garten. Herr Wenzel, der Symmetrie und Ordnung in allen Bereichen seines Lebens schätze, kam nicht umhin einen jeden, der dies bedrohte oder gar zunichtemachte, zum Feind zu erklären.

Voriges Jahr war der Krieg in seinem Garten ausgebrochen. Ein dreister Maulwurf wagte seither trotz allerlei Gegenmaßnahmen ein ums andere Mal, sich Hügel in die ansonsten makellose, saftig grüne Grasfläche zu setzen. Ein jeder dieser erdigen Dreckshaufen war Wenzel ein Gräuel und plagte, ja beleidigte seine ordnungsfanatische Seele. Welche Kriegslisten hatte er nicht bereits ausgeheckt?

Wenzel hatte versucht, den Maulwurf durch üble Gerüche aus seinen Bauten auszustinken. Saure Milch, zerstoßene Knaublauchzehen, Essig und Rasierwasser. Nichts hatte die Mistratte, wie er den Maulwurf stets nannte, vertrieben. Auch Geräusche oder Vibrationen hatten das hartnäckige Untier nicht in die Flucht geschlagen. Dazu war Wenzel kreativ geworden und hatte an eine schräg in die Erde eingebuddelte Flasche ein Klangspiel eingebracht, an das außerdem Löffel befestigt waren. Sogar ein Ultraschallgerät hatte er sich zugelegt, aber die Mistratte weigerte sich, Wenzels Grund und Boden zu verlassen. Auch das Verschlämmen der Maulwurfshügel gab Wenzel bald ergebnislos auf.

Es mussten eindeutig andere Geschütze aufgefahren werden. Wenzel war zu allem bereit. Es war sein Garten, der Maulwurf ein Eindringling. Es herrschte Krieg.
...


MINEN
(Tom Alexander Köck)

das geduldige vor sich hin explodieren
von schwarzen fieberblasen
bringt mich um
den wohlverdienten schlaf

es ist als krieg
ten die krebszellen
niemals genug
als müssten sie mal
für mal ihre ignität
noch potenzieren
und steigern
sich teilend in
ungezählte

und späte stücke:
es war unter anderem
meine eigene todesanzeige
die ich heute früh
las