DUM NR. 59

THEMA: PLÜSCH
Mit: Andreas Plammer - Interview * Herbert Friedrich Witzel * Johannes Witek * Christian Erlinger * Norbert Kröll * Brigitta Buchner * Clemens Ettenauer * Doris Fleischmann * Claudia Siefen * Erich Weinmüller * Erich Schirhuber * Stephan Groetzner * Ute Hanel * Luis Stabauer * Klaus Roth * Ernst Karner * Mario Karl Hladicz * Angelika Burgsteiner * Karoline Kuttner * Valerie Melichar * Renate Aichinger * Der Wortvertreter

Rezensionen: Ingeborg Horn - Zwei Stimmen * Robert Prosser - Feuerwerk * Sarah Schmidt - Bitte nicht freundlich * Andreas Unterweger - Du bist mein Meer

Preis: EUR 3,30.- (EUR 5.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
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DUM-Interview: "Spannung, bezahlte Drinks, unbezahlter Sex - und Alkohol satt!" mit Andreas Plammer


Leseproben aus DUM 59:

HOHER MITTAG
(Johannes Witek)

Die Geschichte eines Mannes,
der wie aus dem Nichts seine Anstellung kündigte
mit der Begründung, seine wahre Berufung
sei von je her die des Pantomimen gewesen
und nun endlich gäbe es kein Zurück mehr --
was natürlich Quatsch ist,
aber extrem geil, mal mit dieser Begründung
zu kündigen
(die Gesichter).

Die Geschichte eines Mannes,
die allerdings nicht lange darauf etwas Rätselhaftes
bekam, als besagter Mann nämlich plötzlich wirklich
in der Fußgängerzone zu finden war,
das Gesicht weiß-schwarz geschminkt
und voll dabei.
...


DER SANFTE ZUG
(Christian Erlinger)

In meiner Kindheit war das Reisen für mich stets eine Qual. Autos und Busse verlangten das letzte Quäntchen an Konzentration und Selbstdisziplin meines Körpers heraus, doch leider verlangten diese Reiseformen oft viel zu viel von mir. In den Kurven blieb mein Magen prinzipiell in der Gerade, was allzu oft dazu führte, dass mein Magen nicht mehr in dem ihn schützenden Körper bleiben wollte, wobei er selbst zwar nicht ausbrach, aber mich zum Brechen brachte. Die oft gefahrenen Strecken meiner Kindertage waren voll furchterregender Kurven und Steilstücke, die schon beim bloßen Gedanken daran Übelkeit in meinem Magen und einen pochenden Schmerz in meinem Kopf hervorriefen, wie dies auch der Geruch des Autos meiner Eltern, ein beißender, unheimlicher Duft, schaffte.
Ein Duft, der den Schmerz in meiner Stirn ins Unermessliche zu steigern wusste. War vor dem Einsteigen in das Auto, ob der Angst vor bekannten Kurven, nur ein leichtes Ziehen im Gesicht zu merken, so vervielfältige die Luft in der Autokabine diesen Nervenreiz bis ans Äußerste. Im Straßenverkehr unterwegs zu sein, im motorisierten Straßenverkehr, ist etwas, das auch Jahre später in keiner Weise von der verklärenden Sanftmut frühester Kindheitserinnerungen weichgespült wurde. Aber doch gibt es eine ganz spezielle Form des Unterwegsseins, die es mir damals, genauso wie heute, erlaubte, mich sanft gebettet von Ort zu Ort zu bewegen. Von Orten der Erinnerung zu Orten des Erlebens. Von Orten des Gewesenen zu Orten des Geschehens.
...


ALLES IM GRIFF
(Norbert Kröll)

Mit Sommersprossen bewaffnet
erklimmst du deinen Baum.

Nur du weißt, wie es geht.

Mithilfe der Äste (und deines Stofftieres)
dirigierst du die Welt.


DER DIETER, DIE BABSI UND DER WERNER
(Karoline Kuttner)

Der Dieter ist der Teddybär vom Werner. Der Dieter ist aus Plüsch, das gefällt dem Werner zwar nicht so sehr, aber es hängen super viele Erinnerungen am Dieter und deswegen hat er ihn so gern.
Der Dieter und der Werner verstehen sich echt toll. Immer wenn der Werner ein Problem hat, da nimmt er den Dieter und alles ist zwar nicht wieder gut, aber fast.
Der Werner ist vierunddreißig Jahre alt und sehr schön. Er ist groß, dunkelhaarig, hat braune Augen und eine wahnsinnig tolle Figur. Mit den Mädchen tut sich der Werner überhaupt nicht schwer, nur Freundin hat er trotzdem keine, das macht ihn manchmal traurig und aber manchmal auch nicht.
Der Dieter kennt den Werner schon recht lange. Das mit der Freundschaft war aber nicht immer so eine klare Sache. Früher hat der Dieter bei der Babsi gewohnt. Die Babsi ist dreißig Jahre alt und war damals die Freundin vom Werner. Die Babsi ist auch schön, wobei nicht so schön wie der Werner, aber das ist nicht so schlimm, hat sich der Werner jedenfalls immer eingeredet.
Die Babsi hat lange dunkelblonde Haare und schöne, aber kurze Beine. Im Gesicht von der Babsi gibt es viele Sommersprossen und immer wieder mal einen Pickel, der lebt dann meistens recht unpassend auf der Nase oder Stirn, wo man ihn super gut sehen kann. Tolle Augen hat die Babsi auch, aber wenn man das ganze Gesicht so alles in allem betrachtet, dann ist sie nicht die allerschönste auf der ganzen Welt.
...


ALLES WIRD GUT
(Valerie Melichar)

Im 58er ist es heiß und stickig. Das Mädchen sieht sich nicht um, lässt sich in einen Einzelplatz fallen und schaut aus dem Fenster. Aus ihren Kopfhörern ist von außen ein blecherner Rhythmus zu hören. Die äußere Mariahilferstraße zieht vorbei, mit ihren sonderbaren kleinen Geschäften, die teilweise aus einer anderen Zeit, teilweise aus einem anderen Erdteil zu stammen scheinen. Das Mädchen lässt alles an sich vorüberziehen.
Sie reibt etwas Spucke auf ihr linkes Knie, das aufgeschunden ist. Ein Mann, der ihr uralt vorkommt, wahrscheinlich Mitte dreißig, beobachtet sie. Ausdruckslos starrt sie zurück bis er wegschaut. Das Mädchen versucht, ihren Jeansrock zurecht zu ziehen, damit die Oberschenkel nicht auf dem Holzsitz kleben, aber der Rock ist zu kurz.
Das Mädchen war erst drei Mal beim Großvater zu Besuch, seit er in den Schrebergarten gezogen ist. Früher, als er und die Großmutter noch in der Wohnung im Sechzehnten gewohnt haben, war sie jeden Sonntag dort. Die Wohnung war immer dämmrig, auch im Sommer. Am Gang hat es nach Kraut gerochen und drinnen nach Rindssuppe, nach Opas scharfem Kölnischwasser und nach Ernte 23, von denen die Oma nach dem Essen, beim langen Kaffeetrinken am Nachmittag mit der Nachbarin, auch immer ein paar geraucht hat.
Das Mädchen wünscht sich, jetzt dorthin zu fahren, in die Wohnung im dritten Stock in Ottakring. Aber diese Wohnung, so wie sie in der Erinnerung des Mädchens existiert, gibt es nicht mehr. Die Straßenbahn fährt am Technischen Museum vorbei. Das Mädchen dreht die Musik lauter, kümmert sich nicht um die Blicke der anderen Fahrgäste. Sie braucht die Musik, um die inneren Stimmen zu dämpfen, die Bilder von letzter Nacht, die sich wie unzusammenhängende Filmszenen durch ihren Kopf schieben. Da sieht sie die feuchte Wiese im Park, hört sich etwas sagen, hier ist das Gesicht des Jungen, plötzlich so fremd und verzerrt, und die entstellten Stimmen, die ihrer beiden Körper entspringen, oder auch nicht.
...