DUM NR. 93

THEMA: STATUS QUO - Das Böse ist immer und überall
Mit: Gerhard Benigni - Interview * Martin Peichl * Brigitte Thurner * Sybille Lengauer * Janea Hansen * Daniela Dangl * Harald Vogl * Simon Stockinger * Raoul Eisele * Gregor Maria Baumgartner * Daniel Klaus * Benjamin Rizy * Rainer Wedler * Annemarie Regensburger * Karin Leroch * Susanne Grech * Andrea Ch. Berger * Mario Huber * flimmern.fischen

Rezensionen: Josef Haslinger - Mein Fall * Jörg Zemmler - Seiltänzer und Zaungäste * Tonio Schachinger - Nicht wie ihr

Zeichnungen: Eckholz, Oleg Estis

Preis: EUR 4.- (EUR 7.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 15.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.


DUM-Interview: "SAFER WRITING MIT TAKTGEFÜHL" mit Gerhard Benigni



Leseproben aus DUM 93:


AUF STILLEN WEGEN LÄUFT DIE ZEIT
(Harald Vogl)

kolumbus

jeden tag in diesem sommer sah ich ihn im park sein schlauchboot ins wasser lassen und mit aufgespanntem schirm, der ihn vor sonne und auch gegen regen schützte, auf den kleinen teich hinausrudern, wo er bis spät am abend saß, navigierte, schrieb und las.
christoph wolle er genannt werden, und - sie könnten ihn jetzt nicht einfach an land holen, rief er den beiden männern in den weißen mänteln am ufer zu. er erreiche erst in zwei tagen das land seiner träume, behauptete er und wies dabei mit der freien hand auf die seekarte in der anderen.
die beiden nickten, zogen ihn heran, setzten ihn in den wagen und ließen seiner hoffnung die luft aus.
...



GUET UND BEAS
(Annemarie Regensburger)

Nit vo daussn
nit die Andern
na
vo drei -
guet und beas
ziehcht
mittlt durch s
oagene Harz
sei Spur



SCHALKO UND PICHLER, STAFFEL 1
(Martin Peichl)

S1/E1: PILOT
Die Fahndung nach einem brutalen Serienmörder, der früher hauptberuflich als Fleischhauer gearbeitet hat, führt Schalko und Pichler zu einem Punschstand. Darauf hingewiesen, dass im Kinderpunsch allem Anschein nach eine abgetrennte Hand schwimmt, sagt der Stand-Betreiber, das macht nichts, den Kinderpunsch trinkt eh niemand.

S1/E2: DAS PARETO-PRINZIP
Schalko schreibt auf, was sie über Pichler weiß: Dass er seinen Ehering im Neusiedlersee verloren hat. Dass seine Tochter dringend Mathe-Nachhilfe braucht. Dass er als Kind Angst vor Käpt'n Iglo hatte. Es wird eine sehr kurze Liste.

S1/E3: RAUBTIERE
Da ist etwas, es schläft in den Stromleitungen. Schalko hört die Elektrizität einatmen, wenn sie nahe genug rangeht, hört sie die Elektrizität ausatmen. Da ist etwas, es lauert in den Stromleitungen und Steckdosen.

S1/E4: PHASEN
Als Jugendliche aus dem Dorf Aalfang mitten in der Nacht den Maibaum im Dorf Haslau umschneiden wollen, realisiert einer der jungen Männer nach dem fünften Bier beziehungsweise zwischen fünftem Bier und drittem Schnaps, dass es sich bei den Maibäumen nur um riesige Phallus-Symbole handelt, dass sie alle Teil eines kindischen Penisneid- und Kastrationsangstrituals sind. Genau in diesem Moment stürzt der Haslauer Maibaum auf ihn drauf und zerschmettert seinen Schädel. Als Schalko und Pichler den Tatort sichern, sieht es nach Regen aus, aber es wird später nur ganz leicht tröpfeln.
...



ICH KANN ES NICHT MEHR HÖREN!
(Andrea Ch. Berger)

Jetzt hänge ich hier. Nach all den Jahren hänge ich jetzt hier und kann mir andauernd dieses Geschwafel anhören. Das war irgendwie zu Beginn schon besser, als ich nur als Schmuckstück für das Eigenheim diente. Das war halt hip damals, das gehörte dazu, sich so ein thematisch naja sagen wir leicht zugängliches Bild ins Wohnzimmer zu hängen. Aber jetzt hier im öffentlichen Raum, im Museum, da bist du ausgeliefert und kannst dich nicht wehren. Also was ich schon alles gehört habe, was ich nicht alles darstellen und aussagen sollte, unvorstellbar. Da wird interpretiert und spekuliert und nichts kommt dabei raus. Wie denn auch. Ich bin ein Abbild eines Augenblicks. Da wird nichts erzählt, höchstens was beschrieben. Fertig. Ende der Diskussion. Einfach wirken lassen. Hineinfühlen, nachempfinden. Aber nein, da wird förmlich hineingekrochen ins Bild, jeder Fuzel mit Bedeutung bedacht und dann diese schwülstig aufgeblähten Satzkonstruktionen. Diese sinnlosen Formulierungen, die nichts anderes bewirken sollen, als den Sprecher intellektuell erscheinen zu lassen. Hast du schon mal so einem Kunstvermittler zugehört, da wird dir die gestärkte Haube schlapp, ich sag es dir. Meist Sonntagnachmittag mit so zehn bis fünfzehn Damen in ihren Fünfzigern und Sechzigern im Schlepptau geht es nach den immer gleichen, schleimenden einleitenden Worten zu Sache. Thema: Frauen als Tugendbeispiele in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Pfff, dass ich nicht lache. Vieles trifft auf mich zu, aber tugendhaft? Und schon geht es los. Das Licht fällt wie fast immer von links durch ein Fenster und trifft gleichmäßig auf alles sich im Raum Befindende. Diese höchst subtilen Differenzierungen zwischen Licht und Schatten lassen seine Interieurs von realem Licht und realer Luft erfüllt scheinen. Ist jetzt klar, was ich meine?
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ZIMMER
(Simon Stockinger)

Es war an einem spätwinterlichen Nachmittag, bereits dämmrig, als ich Eduard Zimmer kennenlernte. Wien war in diesen Tagen hässlich, die ganze Stadt wirkte bleich und schuldbewusst, ich war allein, wollte einen meiner seltenen Pläne realisieren und hielt zu diesem Zweck meinen Schlagring fest umschlossen in der Manteltasche. Das Adrenalin machte alles etwas leuchtender, verschaffte den Gesichtern um mich eine gewisse Anziehungskraft. Beinahe Frühlingsgefühle. Ich könnte sie alle, dachte ich.
Ich fuhr mit der U6 in Richtung Siebenhirten und es war kurz nach der Station Währigerstraße, als ein dünner Mann plötzlich zu nah vor mir stand und nach der Fahrkarte fragte. Der Mann sprach leise und hielt mir einen Ausweis ins Gesicht, den ich nicht beachtete. Sein Blick hatte etwas Flehendes. Ich war sofort interessiert.
Auffällig war, dass nur wir beide bei der nächsten Station ausstiegen, er hatte keine Kollegen bei sich. Ich fragte, ob das nicht gefährlich sei. Er antwortete unbestimmt und musterte mich.
Meine Jahreskarte der Wiener Linien war seit kurzem abgelaufen, ich hatte es verabsäumt, meine neue Adresse bekannt zu geben, weshalb die neue Karte an meine alte Wohnung zugestellt worden war. Ich sah, dass er kein elektronisches Gerät, kein Tablet oder Ähnliches, mit sich führte. Irgendetwas stimmte nicht; wir blickten uns an.
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