DUM NR. 41

THEMA: WIEN
Mit: Richard Weihs - Interview * Markus Köhle * Andreas Plammer * Roman Weyand * Sabine Szukitsch * Hans Anglberger * Martin Ohrt * Andrea Heinisch-Glück * Anatol Vitouch * Peter Paul Wiplinger * Gerhard Jaschke * Doris Mitterbacher * March Höld * Susanne Ayoub * Robert Prosser * Malte Borsdorf * Elisabeth Ebenberger * Peter Haselmayer * Christian Futscher * Roland Mückstein * Michael Nußbaumer * Michaela Hawlik * Christian Peterka * Jörg Zemmler

Rezensionen: Bernhard Salomon (Hrsg.) - 17 Jahre ohne Sex. Geschichten aus einem Wiener Stundenhotel * Peter Rosei - Wien Metropolis * Roman David Freihsl & Christian Fischer - Rückkehr zur Strudelhofstiege

Preis: EUR 3,30.-
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.-
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.


Leseproben aus DUM 41:

IM INLAND
(Andrea Heinisch-Glück)

Weil die Liebe durch den Magen geht, kochen die Ausländer ihr Essen im Inland besonders gut und noch besser kochen sie Inländisches im Inland. Und größer natürlich auch, schließlich geht es um etwas (die Integration), und so hat der Türke (oder Serbe oder Armenier), dem das Schnitzlplatzl in der Leopoldsgasse gehört, auch die größten Schnitzel von Wien. Sie sind so groß, dass sie bis auf die Straße hinausreichen, und so kam es, dass ich mich gestern in einem besonders großen Schnitzel verfing: ein Stolpern in Folge einer kleinen Verträumtheit, wie sie ja wirklich nicht auf die Straße gehört, und schon steckte ich - Füße voran - zwischen Fleisch und Panier.

Stickig und heiß war es da und die Schönheit meiner eben erst geschnittenen und gewaschenen Haare verlor sich in den Resten des Frittierfettes (Die achtzig Euro Friseur beim Teufel!), wovon ich mich mit einem schnellen Griff auf den Kopf überzeugen konnte. An Bewegungsfreiheit mangelte es mir nämlich nicht, da es sich um ein wirklich wienerisches Wiener Schnitzel handelte, also um eines, bei dem die Panier luftige Blasen wirft und sich nicht neurotisch ans Fleisch klammert. Bevor ich recht begriffen hatte, was mir da eben widerfahren war, tauchte eine Hundeschnauze vor meinem Gesicht auf, feucht und kühl, wie es sich für eine Hundeschnauze gehört …


WIEN
(Peter Paul Wiplinger)

ich trage den tod
dieser stadt in mir


als gläsernes murmelspiel
als einen streifen papier
als windfahne im haar

er sitzt in meinem gehirn
er sitzt in meinem bauch

er zwängt sich
zwischen meinen leib
und den eines mädchens

er ist ein geldstück
ohne prägung

ohne wert
ohne gültigkeit


DIESES ALTE WIEN …
(Mieze Medusa)

... bastelt gerade neue Wolkenkratzer,
macht mobil mit Clubkultur sowie mit Austropop gepaart mit Drogenlastern.
Was ja für sich schon unterhaltsam ist!
In meinem Clubausweis steht nichts von einem Naseweis,
da das Inkognito noch haltbar ist.
Ich bin hier eine von vielen, weil es jetzt endlich eine Szene gibt.
Ich bin hier heimisch und real,
versteh, das Gas geben und zur Ruhe kommen möglich ist,
auch wenn - wie ich - die Frau nur zugezogen und trotzdem Wiener Zögling ist.
Komm doch ins rhiz, wenn wieder Texte strömen:
Slamkultur und Dichterstreit und Competition, die olympisch ist:
dabei sein bis dem Publikum die Ohren dröhnen
und der Applaus nicht mehr zu toppen ist.
Was kümmert's mich, wenn hier der Scherz etwas morbide ist?
Was schert mich dieser fiese Grantscherm nebenan, der sich beschwert,
wenn ich die Verse über viel zu laute Bässe kick? Dafür gibt's Oropax!
Und eine Flasche Wein Bestechungsgeld für nächteweise ruhig gestellte Nachbarschaft.


ANSUDERUNG DES ALTEN QUIQUI
(March Höld)

oi, oida, woat a weng
semper secundo momento!
erravisti oida
kumm vapiß di oida
nix fia unguat, nix is gscheng

kloa klappal, semper memento
mori. tua r i. tua r i owa ah!
nua nau is da moment nit do, klappal.
nau gib i nit den leffl o, gankal.
kapischi?

kumm setz di

mortifer frater fein
i schenk uns wos zum bippaln ein
suma lakal
suma achtal
suma viatal ...


ZENTRALFRIEDHOF DEN VERLIEBTEN
(Robert Prosser)

Sonnenbrillengläser und
zweimal die Reflexion der Junisonne darin
stumm und bleich der Ruf
der Erde über diesen vergessenen Feldern -

Hörst du die Schreie? Noch an Zungen gefesselt und
gesichtslos im hohen Gras
dem Meer grün und warm wo wir beide
Mythen
teilen die Wellen gemeinsam mit dem Wind und
unser Turteln hüpft von einem Schatten zum nächsten
an diesem Sommernachmittag.

Knochen verbrennen im Tanz
wirbelnde Körper
wie der Staub der zerstörten Grabsteine
die ihre Erinnerung silbern dem Tag übergeben und
damit den Himmel schälen,
bis er befreit vom Sonnenlauf zum Schweben
der Zeitlosigkeit wird
in der ich dich plötzlich verliere aber mich
als Raubtier im Dunkel von Mausolen entdecke,
welches durch tote Namen und der Jahreszeit hindurch
seiner Beute nachpirscht und die Spur der Jagd im Gras
ist das einzig sichtbare weit und breit.