DUM NR. 68

THEMA: NACHSATZ
Was ich unbedingt noch sagen / schreiben wollte
Mit: Margarita Kinstner - Interview * Constantin Göttfert * Elisabeth Buchta * Elisabeth Pein * Verena Mermer * Susanne Ayoub * Harald Vogl * Susanne Schramm * Eva Austin * Jan Decker * Tom Alexander Köck * Johanna Dürnecker * Karin Klug * And Pawe * Klaus Roth * Marianna Lanz * Steffen Roye * Jörg Kleemann * Kathrin Ivancsits * Margit Heumann * Doris Anselm * Mechthild Podzeit-Lütjen * Martina Mauser-Krenn * Der Wortvertreter

Rezensionen: Roman Ehrlich - Das kalte Jahr * Jonas Lüscher - Frühling der Barbaren

Preis: EUR 3,30.- (EUR 5.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
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DUM-Interview: "Beziehungsgeflechte" mit Margarita Kinstner


Leseproben aus DUM 68:

RABENBRUDER
(Susanne Schramm)

Georg,
ich weiß, ich bin spät. Meine Handrücken werfen schon Falten auf, wenn ich die Finger über die Tastatur streifen lasse. Du würdest mich wahrscheinlich gar nicht mehr wieder erkennen, so ruhig über den Computer gebeugt, die Füße in die gleichen langweiligen Hausschuhe gebettet, wie sie unser Papa auch trug - die ich mittlerweile lieb gewonnen habe. Du würdest mich für einen Spießer halten. Mein Haar wird an den Schläfen schon dünn. Wir konnten es einmal gar nicht glauben, dass wir älter werden würden, dass sich der pulsierende Drache in unserer Brust zu einer zahmen Stubenkatze wandeln könnte, die sich nur ein-, zweimal im Jahre regt, wenn eine unerwartete Wendung ihr Feuer entfacht. Denn irgendwann, so habe ich selber erkennen müssen, wird man des Kämpfens müde und lernt, sich still und bescheiden an den Gutmütigkeiten des Alltags zu erfreuen. - Wie gern hätte ich das mit dir gelernt.
Ich grabe tief in meinen Erinnerungen. Manchmal sehe ich in meinem Spiegelbild deinen klaren Blick. Und erzähle mir die Geschichte immer neu: Nehme jedes Mal eine andere Perspektive ein, so könnte es gewesen sein, um schließlich wieder hier zu landen, wo ich sitze, um dir zu schreiben.
...


NACHRUF
(Harald Vogl)

ein ausdrucksstarkes gesicht sagt der photograph verlebt und verbraucht behauptet die schwester ein frauenversteher der bruder ein windiger zeitgenosse lebenskünstler taugenichts erklärt der bürgermeister eine schande für die stadt ein verkanntes genie berichtet der lehrer augenblicksammler war er ein sportler bestätigt sein freund der alkohol setzte ihn auf die straße keine wohnung gesperrtes konto versichert der mann von der bank ein diplomierter freigeist querkopf ein unbequemer eine ehrliche haut bemerkt die kellnerin ein asket und fleischverächter vermutet der wirt ein achtel-wein-philosoph und gestunken hat er vermeldet der sanitäter ein nestbeschmutzer aufdecker ein immer freundlicher meint die frau in der notschlafstelle der treueste kunde vermerkt der buchhändler ein lesefanatischer lyrikspezialist ein atheist glaubt der pfarrer ein großer zweifler vor dem herrn mit weißem bart und dunklen haaren weiß der friseur ein gedankenwanderer war er stets ein fan der anderen mannschaft und


ALFONSO DE SILBERMANN
(Jan Decker)

Alfonso de Silbermann wurde mir an einem Julitag in Buenos Aires vorgestellt. Meine Begleiterin Miranda wischte sich kokett den Schaum ihres Café con leche von den Lippen. Sie wollte mir von ihrem Buch über Illusionäre Räume bei Borges erzählen - Borges war der offizielle Grund, weshalb ich mich in Buenos Aires herumtrieb - als sie innehielt, ein seltsamer Effekt, den Kopf leicht herumdrehte und aufrief: "Alfonso de Silbermann!"

Das geschah, während sich ein Mann unserem Tisch näherte. Alles an ihm war massig. Sein Körper, sein Kopf. Ein gelockter schwarzer Bart um Kinn und Backen unterstrich diese Massigkeit. Er trug einen guten Anzug. "Es gibt ein berühmtes Nacktfoto von Alfonso", plapperte Miranda, "an Bord der Starship aufgenommen. 1976."

"Nein, 1975", entgegnete Alfonso de Silbermann. "Ein paar Wochen später wurde es in den argentinischen Gazetten abgedruckt." "Kennen Sie es?", fragte Miranda. Ich schüttelte den Kopf. "Borges", sagte Miranda leiser, "soll gelacht haben." Der Mann holte ein abgewetztes Notizbuch aus dem Anzug. "Borges und ich saßen einen Tisch weiter." Er zeigte auf ein Pärchen, das neben uns turtelte. "Du bist zutraulich behaart, aber kein Sympath. Nur warum in aller Welt hast du dein Geschlechtsteil eingeklappt?"
...


EIN NACHSATZ WAR ICH
(Margit Heumann)

ein nachsatz war ich, von irgendwem
irgendwo nebenbei fallen gelassen, belanglos
wie ein lurch hinter der tür

ein nachsatz zu sein war mir nicht
genug, mich verlangte nach neuer identität,
ob vorsatz, kaffeesatz, grundsatz

ob untersatz, absatz, umsatz, ich hatte
die wahl. wohl weil ich so gekonnt
mit sätzen jonglierte, fand ich einen job

als dichtung, dichten lag schließlich
in meiner natur. im ansatz kam ich
als zusatz zum einsatz, quasi

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