DUM NR. 97

THEMA: PANTOFFEL STATT PANDEMIE!
Home Sweet Home – Neue Häuslichkeit
Mit: Thomas Sautner – Interview * Anke Laufer * Yasemin Sezgin * Leonie Rath * Roland Grohs * Franziska Zussner * Michael Burgholzer * Daniel Mylow * Katharina Körting * Steffen Roye * Saskia Dyk * Rudolf Kraus * Ingeborg Schmid * ChristiAna Pucher * Yannick Steinkellner * Horst Leiwig * Britta Badura* Benjamin Rizy* Mario Huber * Mieze Medusa * Heinz Zitta * Annemarie Regensburger * Manfred Kowatschek * Brigitte Thurner * Martina Berscheid * flimmern.fischen

Rezensionen: Thomas Sautner – Die Entdeckung der Welt * Gerhard Jaschke – Geliehene Leben * Mieze Medusa – Du bist dran

Zeichnungen: Eckholz, Oleg Estis

Preis: EUR 4.- (EUR 7.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 15.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.


DUM-Interview: "DIE ERFINDUNG DER WELT" mit Thomas Sautner



Leseproben aus DUM 97:


TATORT
(Leonie Rauth)

20.12.
Erwin trägt die alten Pantoffeln, die der Hund immer versucht hat kaputt zu machen und er sitzt auf dem hässlichen, grünen Sessel, der älter ist als Sofia, seine Tochter. Erwin schaut den Tatort und Sofia schaut nicht mehr nach ihm. Sie ist jetzt in die Stadt gezogen, mit ihrem Jochen. Erwin seufzt und sinkt noch etwas tiefer in seinen Sessel. Den hässlichen, grünen Sessel, den sie sich damals gekauft haben, zum Einzug. Viel zu teuer, hatte er gesagt. Er ist doch ganz schön, hatte Irmgard, seine Frau, gesagt. Jetzt ist Irmgard tot und Erwin hat den Schlamassel. Beim Tatort haben sie den Schlamassel bereits beseitigt und Erwin schaltet den Fernseher aus.

21.12.
Erwin trägt die alten Pantoffeln, die der Hund immer versucht hat kaputt zu machen und er sitzt auf dem hässlichen, grünen Sessel, der älter ist als Sofia, seine Tochter. Jochen kommt von der Arbeit, als er seine Sofia sieht, weinend. Der Hund, den sie seit Oktober haben - Sofia wollte immer einen Hund, sie war schließlich mit einem aufgewachsen - schleicht um sie herum. Was denn sei, fragt Jochen, weil er noch in seiner eigenen Welt ist und nicht das Blut sieht, weil Jochen sowieso nie etwas sieht; als sie letzte Woche beim Friseur war, hat er es ja auch nicht gesehen.
...



Franziska Zussner

daheim
vorm spiegel
einige umarmungen
simuliert
beinahe linkisch
aus der übung
der gesichtsausdruck
noch fremd aber
die lachfältchen
kehren wieder
schulterklopfen
und händeschütteln
in arbeit



MEIN WEISSES HAUS
(Michael Burgholzer)

Vor fast zwanzig Jahren erwarb ich in der Toskana ein kleines, weißes Haus, in dem ich lange Zeit allein glücklich und zufrieden lebte. Es hatte eine kreisrunde Grundfläche und ein Dach in der Form eines stumpfen Kegels. Als ich einmal gerade draußen vor der Tür stand und den Schwalben nachsah, die vorüberflogen, bemerkte ich ein seltsames Gebilde in der Luft. Es handelte sich ohne Zweifel um ein künstliches Flugobjekt. Dass es aber irdischen Ursprungs war, schloss ich mit höchster Wahrscheinlichkeit aus. Das merkwürdige Luftfahrzeug verringerte seine Geschwindigkeit, während es näher kam, und landete schließlich direkt vor meinem Haus. An dem Objekt öffnete sich eine Klappe, aus der zum Boden hin eine Rampe abgesenkt wurde. Ein Mann trat heraus, der, abgesehen von einem einzigen Merkmal, wie ein gewöhnlicher Irdischer wirkte: Seine Haut war schillernd grün und wies ihn eindeutig als Extraterrestrischen aus.
"Sei mir gegrüßt, Erdling!", sagte er, genau wie ich es erwartet hatte. "Ich komme in Frieden!"
Weil ich allem Neuen gegenüber aufgeschlossen war, geriet ich keineswegs in Panik.
"Es freut mich, dass du mich besuchst, Fremder!", rief ich und fügte hinzu, wie es sich gehört: "Welch Glanz vor meiner bescheidenen Hütte! Was führt dich zu mir?"
...



KÄLTER ALS DER TOD
(Daniel Mylow)

Von ihrem letzten Geld wählt sie zwei Schneebälle aus dem Drahtkorb des Jungen. Vorsichtig, fast behutsam legt sie sie in ihre leere Einkaufstasche.
"Schneebälle", ruft der Junge. Sie geht auf den Hauseingang zu. Es sind nur wenige Stufen bis in ihre Wohnung. Doch der Weg hat sie so erschöpft, dass sie ein paar Minuten in der Küche stehen bleiben muss. Der Kühlschrank, in den sie die durchsichtig gefrorenen Schneebälle legt, ist leer. Das erinnert sie an die Briefe des Vermieters. Die Mahnungen. Die Räumungsklage.
Das Telefon klingelt. Sie hebt nicht ab. Immer die gleichen Fragen. Hast du noch keine neue Arbeit? Was machst du den ganzen Tag? Ich räum auf, sagt sie. Ich sitze am Fenster und schaue den Menschen auf der Straße zu. Ich denke mir Geschichten aus. Wer sie sind. Wohin sie gehen. Das gefällt mir, sagt sie. Bist du immer noch allein?, fragt sie ihre Mutter. Noch mehr allein als ich und du bist tot. Aber das sagt sie nicht. Sie legt auf.
Die Abendhimmel rahmen die Wolken. Unter dem Flaumgewölk steht verblassendes Januareislicht. Sie denkt: Könnte ich jetzt doch sterben. Es wäre gewiss leichter als alles andere. Aber sie stirbt nicht. Es stirbt sich nicht so leicht. Sie denkt nur an die Tiefkühltruhe im Keller. Manchmal geht sie dreimal am Tag hinunter und schaut nach, ob sie noch verschlossen ist.
...



EXPONENTIELL
(Saskia Dyk)

Lockdown Woche 1
Ich prüfte die Farbstifte auf ihre Funktionsfähigkeit, polierte die Blätter der Topfpflanzen, sortierte die Bücher nach Farbe, Größe und Genre. Ich fragte die Kinder Vokabel und steirische Sagen ab, verteilte Spielkarten, verzählte mich, mischte sie nochmals und verteilte sie neu. Ich leerte den Inhalt einer Schachtel aus: Ein Tanzabzeichen in Bronze und die Medaille des Augartenlaufs mit der grün-weißen Schleife. Ich machte mir Gedanken über die Zukunft.

Lockdown Woche 2
Ich prüfte die Kinder mittels Vokabel und steirischen Sagen auf ihre Funktionsfähigkeit, polierte das Tanzabzeichen in Bronze und die Medaille des Augartenlaufs mit der grün-weißen Schleife. Ich verteilte die Bücher, vergaß sie zu zählen. Ich sortierte die Farbstifte nach Farbe, Größe und Genre und legte meine Gedanken in die Schachtel. Ich fragte die Karten nach meiner Zukunft und mischte die Blätter der Topfpflanzen neu.
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