DUM NR. 57

THEMA: FILZ
Mit: Nadja Bucher - Interview * Daniela Chana * Peter Schwendele * Karoline Kuttner * Franz Kovacs * Traude Veran * Wolfgang Wurm * Jan Kossdorff * Moritz Beichl * Christian Klinger * Stephanie Geßner * Michaela Wittmann * Ondřej Cikán * Nicole Makarewicz * Annette Schmitz-Dowidat * Luis Stabauer * René Steininger * Maurice Moel * Mario Keszner * Markus Prem * Erich Schirhuber * Ernesto Castillo * Harald Jöllinger * Der Wortvertreter

Rezensionen: Wolfgang Glechner - Kein Kasten ohne Filz–kein Freud ohne Leut' * Clemens Ettenauer - Morbuso geht ab * Andreas Weber - Veitels Traum

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Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
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DUM-Interview: "Perfektion und kontinuierliches Scheitern" mit Nadja Bucher


Leseproben aus DUM 57:

DIE FILZLAUS
(Franz Kovacs)

Das stinkende Häufchen
des Stadtstreichers
zwischen den Hecken
hinter der Parkbank
zeugt von Ursprünglichkeit

im Luxusaufzug des
Energiekonzerns
mit Verachtung
als Botschaft hinterlassen
hingegen
von Schnelligkeit


GLÜCKLICH GEFILZT
(Peter Schwendele)

Eigentlich wollte ich nur ein Bier trinken an dem Abend, im "El Compadre" hinter der Bahnlinie. Ich hatte keine Lust, den Umweg über die Brücke zu nehmen und hüpfte einfach über die Schienen. Ich meine, ich habe sehr gute Augen, und es war weit und breit kein Zug zu sehen, insofern gab es gegen eine kleine Abkürzung meiner Ansicht nach nicht viel zu sagen. Nicht einmal ein kleines Kind, dem ich mit meiner Aktion ein schlechtes Beispiel hätte geben können, war in der Nähe. Die liegen nämlich alle um die Zeit schon in der Falle, und falls nicht, könnte ich bei denen sicher auch nicht mehr viel kaputt machen.

Ich war gerade drüben auf der anderen Seite angelangt, als mir jemand zurief, ich solle sofort stehen bleiben. Die Stimme klang nicht mal wichtigtuerisch oder besonders streng, aber ich stellte trotzdem den Betrieb ein, denn mir war nicht nach rennen zumute, und außerdem, wo hätte ich hin sollen? Spätestens dreißig Meter weiter, im "El Compadre" hätte man mich ja doch aufgelesen, vermutlich selbst dann, wenn ich mich auf dem Klo eingeschlossen hätte.

Es war eine Sie und die Uniform war ihr eine Nummer zu groß, fand ich, was aber nicht verhindern konnte, dass mein geübter Blick ziemlich schnell feststellte, dass das, was drunter lag, ganz ordentlich sein musste. Sie blickte mich mit großen Augen unter ihrer Dienstmütze an und erklärte mir, dass ich nach Paragraph Soundso eine Ordnungswidrigkeit begangen hätte, die in der Regel derartiger Fälle mit einer Geldbuße in Höhe von 25 Euro geahndet werde.

"Na, wenn Fräulein Polizeiwachhauptkriminalkommissarobermeisterin meinen", sagte ich und versuchte, ihr zu erklären, dass ich 'ne kleine Abkürzung beim besten Willen nicht als Wahnsinnsverbrechen betrachten könne.
...


DIENSTWEG
(Traude Veran)

hamma uns denkt
gemma am besten glei zum minister,
dann is des am schnellsten erledigt.
Mir gengen also zum minister,
und der minister sagt:

gehts doch amal zum hofrat mörth!

der hofrat mörth hats scho ghört
der hofrat eibenbrunn wird bestimmt was tun
der hofrat haiden muss entscheiden
der hofrat schall is sehr jovial
der hofrat reindlich is ungeheuer freindlich
der hofrat mück wünscht uns glück
der hofrat pribil gäb uns gern viel
der hofrat bach schaut gleich nach
zum hofrat siebenschön soll ma aa no gehn
der hofrat steiben wird uns schreiben
der hofrat wicht verfasst an bericht
der hofrat kroll machts protokoll
...


ENTWURF SPEICHERN
(Moritz Beichl)

Mein Gang ist gerade. Meine Beine sind parallel, weder nach außen, noch nach innen gedreht. Meine Füße auch. Die Leute glauben ich schreibe eine SMS während ich gehe, dabei fixiere ich nur ein paar Gedanken. Peter speichert seine Gedanken auch immer in seinen SMS Entwürfen, damit er sich später erinnere und sie zu Ende denken könne, sagt er. Wenn ich durch die Stadt gehe, sehen mich die Leute innig lächeln, das hab ich gelernt, wie man innig lächelt. Peter lächelt nicht. Peter hat auch nicht gelernt, wie man immer innig lächelt. Peter hat Kopfhörer auf, aber er hört keine Musik, davon bekommt er Kopfschmerzen. Er tut sich schwer, sich mit Leuten zu unterhalten, deswegen mag er es nicht, obwohl er es gerne wollen würde, deswegen hat er Kopfhörer auf. Damit niemand mit ihm redet, weil er sich dabei schwer tut, obwohl er es gerne wollen würde. Musik hört er nicht. Davon bekommt er Kopfschmerzen. Peter sieht gut aus. Er hat aber keine Freundin. Er hätte gerne eine Freundin. Wenn Peter eine Freundin hätte, dann würde er gerne mit ihr Musik hören. Dabei müsste er sich nicht mit ihr unterhalten. Wenn Peter eine Freundin hätte, dann würde er sich wahrscheinlich sogar gerne mit ihr unterhalten. Peter hat aber keine Freundin. Peter sieht trotzdem gut aus. Ich denke schöne Menschen sind öfters alleine als nicht so schöne Menschen. Schöne Menschen haben seltener Sex als nicht so schöne Menschen, denkt Peter. Er hatte noch nie Sex.
...


FILZLAUS
(Stephanie Geßner)

Filz und Schnee und ich verliere die Fassung. Sie würden es nicht merken, soweit habe ich mich im Griff, aber innerlich schlittere ich durch den Eiskanal, ohne Helm und Schutzanzug, sobald ich Filz und Schnee nur sehe. Ich kriege es nicht weg. Eins von beidem geht, vor allem Schnee. Filz hasse ich. Jahrelang lag er gut verstaut in der Mottenkiste, aber irgendein Idiot hat ihn wieder rausgeholt und jetzt filzen sie überall, Umhängetaschen, bunte Untersetzer, Körbe, Pantoffeln für Kinder.

Meine Mutter ist schuld. Ich wollte einen Anorak und sie kam mit diesem steifen Mantel in Förstergrün an. Vermutlich geschenkt oder günstig erworben, sie machte ein Geheimnis daraus. Er fühlte sich an wie der Teppichboden in meinem Zimmer.
"Er kratzt", sagte ich, in der Hoffnung, das Blatt ließe sich noch wenden.
"Das ist Loden", antwortete meine Mutter, als würde das für mich etwas ändern.
"Aber er kratzt", beharrte ich.
"Das ist ein todschicker Lodenmantel und er wird angezogen."
Ich weinte.
"Du solltest dich schämen", sagte meine Mutter.
...