"... die bleamei zoagn erste onmutige onleife
i leicht ma söba die wege aus
die i jetzt beschreit"
Liebe Katharina, du weilst für zwei Monate, April - Mai 2025, in Norwegen, ich nehme an als Artist in Residence. Wie ist es dazu gekommen? Und woran arbeitest du ebendort?
Lieber Martin, genau. Es gibt eine internationale Residenz für Künstler:innen verschiedener Sparten in Leveld, am sogenannten kunstnartun. Ich habe den Open Call mehr durch Zufall entdeckt, da ich immer auf der Suche nach Orten bin, an denen ich noch nie gewesen bin. Die extreme Zurückgezogenheit dort macht es mir möglich, mein nächstes Romanmanuskript fertigzustellen, an dem ich nun schon seit geraumer Zeit arbeite.
Als "Künstlerin" bist du viel "unterwegs". Aufgrund deiner Vielseitigkeit hast du einerseits ein sehr dichtes, intensives Leben, andererseits "musst" du auch beständig "liefern". Arbeitest du im Stillen, oder motiviert dich der "Rummel"?
Es ist wahrscheinlich der Wechsel aus beidem. Einerseits liebe ich das Reisen, das soziale Leben, den Austausch, das Lesen und Performen. Die Begegnungszonen bieten mir Inspiration. Andererseits brauche ich den Raum ohne alldem für ein fokussiertes Arbeiten, um noch einmal in einer anderen Tiefe in den Text gehen zu können, ohne Ablenkung, ohne greifbar sein zu müssen und vor allem ohne organisatorische Dinge rundherum.
Wo befindet sich deine Heimat, wenn es denn eine sein muss?
Für mich ist Heimat kein Ort, sondern Menschen, bei denen ich mich zu Hause fühle und das kann eigentlich überall auf der Welt sein. Wahlwohnort ist aber doch immer wieder Wien.
Deine, wie oben gesagt, Vielseitigkeit ist faszinierend. Wie kam's dazu, dass du als Poetin, Performerin, Kunstvermittlerin tätig bist?
Es war immer schon so, dass mich jegliche Art von Kunst interessiert hat. Ich bin ja bei Weitem nicht die Einzige, die sich zwischen den Sparten bewegt. Es ist wohl eine Mischung aus Entdeckerinnenfreude und dem Wunsch nicht nur selbst als Poetin Raum einzunehmen, sondern diesen auch anderen anzubieten. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein Workaholic.
Erwähne "nur" die Performance-Kunst "Calamity Jane", oder die Zusammenarbeit mit dem Fotografen Mark Daniel Prohaska, und da gibt's noch viele andere ...
Calamity Jane ist eine Figur, die sich stets verwandelt. Ursprünglich als Burlesque-Performerinnen Name gewählt, vereine ich darin mittlerweile eine umfassendere Bühnen-Persona, die sich abseits klassischer Wege ausprobiert. Mark-Daniel Prohaska und ich begegnen uns wiederholt am Schnittpunkt zwischen Fotografie und Text. In diesem Jahr ist noch eine Ausstellung mit Lesung in Lettland geplant, ebenso ein Residenzort, der sich nachhaltig auf meine und unsere gemeinsame Arbeit ausgewirkt hat.
Leidenschaft, Interesse, etwas schaffen, etwas bewegen ...; du bist in verschiedensten Projekten, Kooperationen aktiv. Wie bringst du das unter einem Hut?
Wenig Schlaf, viel Zugfahren. Geduldige Liebste und Freund:innen, die mich erden.
Die Lyrik ist eines deiner Standbeine. Wann hast du die Zeit dafür und was "brauchst" du dazu?
Da ein wöchentliches Gedicht von mir in der Salzburger Krone erscheint, ist die Lyrik tatsächlich ein wesentliches Standbein, dem ich nicht nur Zeit widmen darf, sondern das auch muss. Schreiben ist also glücklicherweise Teil meines Alltags.
"salamanderin" ist im Limbus Verlag 2025 erschienen. Mittlerweile der 3. Lyrikband, alle bei Limbus verlegt, nach "krötentage" 2022, dem Roman "Der Anbeginn" 2020 und "nur einmal fliegenpilz zum frühstück" 2019. Ist Lyrik Teil deiner persönlichen Ausdrucksmöglichkeit, deine innere Stimme?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Natürlich steckt in jedem Band, ebenso wie im Roman etwas von mir: eine Beobachtung, eine Berührung, eine Bewahrung. Das Persönliche jedoch bringt jede:r Leser:in selbst in den Text. Ich lege nur die Fährten.
Die Mischung aus "Hochdeutsch" und "Mundart" bietet ein breites Feld. Deine poetische Kraft kann beide "Sprachen" bespielen. Und als Leser:in sind mehrere Wege einschlagbar. Wie wichtig ist dir das? Insbesondere die Mundart wird immer mehr zurückgedrängt. Mundart die "bessere" Art und Weise sich verständlich zu machen?
Ja, es ist mir tatsächlich wichtig, Dialekt als Literatursprache nicht aussterben zu lassen. Die Mehrsprachigkeit ist Teil meiner Sozialisation. Besonders schön finde ich es, wenn mir Dialekte bei meinen Reisen begegnen, wie zuletzt in Norwegen. Dafür muss ich die Sprache nicht verstehen, aber anhand von Erzählungen erfährt man doch einiges, wo die Sprachgrenze liegen, wie die Betonungen sich unterscheiden, an welchen Wörtern man Unterschiede merkt und so weiter.
"... warat gern amoi da hofn
und ned oiwei des schiff
dem sei navi
am weg spompanadln mocht ..."
Der Hafen bedeutet Ankommen, aber auch stehendes Gewässer; sich treiben lassen ohne Navi lässt den Zufall wirken. Kreativität entsteht mitunter ja aus dem zufälligen heraus ...; der Zufall eine Möglichkeit?
Zufall oder Zuhören.
"i darat so gern wegfoahrn
mi in zug setzn wia friahra
oba i scheitat schon beim eipockn
an ausglesene biacha
und zabrochene brünglasln"
Begegnungen, Aufbrüche, Sehnsüchte ...; verlieren die Einwohner:innen in Österreich ihre Sprachkunst?
So streng würde ich das nicht sehen. Besonders in der Musik ist Österreich reich an Sprachen und die Szene erfreut sich doch großer Beliebtheit. Manches kommt wieder, manches verändert sich, aber so ist es immer gewesen. Ich weine dem nicht nach, aber ich liebe es schon sehr, wenn mir ein ganz urtümliches Wort begegnet oder wenn eine Wendung selbstverständlich in einem Gespräch auftaucht, die ich noch nie gehört habe. Interessanterweise fallen mir selbst solche Wörter vor allem ein, wenn ich mich außerhalb des deutschen Sprachraums bewege und etwas erklären will. Dann erinnere ich mich plötzlich an Ausdrücke, die ich von den Großeltern im Ohr habe.
Ingeborg Bachmann und Max Frisch als Begleiter:innen im Zeitenlauf, insbesondere in "salamanderin"?
Im Zusammenhang mit "salamanderin" würde ich ebenso die musikalischen Hinweise im Band wie Maria Callas nennen, aber letztlich hängt das ja alles zusammen. Abgesehen davon lese ich viel zeitgenössische Lyrik, nicht als O-Ton, aber als Dialograum.
Was sind deine nächsten Pläne, Vorhaben, etc.?
Schreiben. Ich freue mich darauf, die nächsten Ideen in Text umzusetzen. Nach meiner Rückkehr warten erst einmal einige Lesungen und Schreibworkshops. Das werden bestimmt schöne und inspirierende Erfahrungen. Und danach bin ich wieder bereit selbst in die Rolle der Veranstalterin zu schlüpfen. Getanzt wird natürlich auch ...
Du bietest die Schreibworkshops zum Beispiel über BÖS an?
Ja, das BÖS ist ein toller Lehrgang, bei dem ich aktuell gemeinsam mit Katharina Tiwald einen Lyrikworkshop leiten darf. Auch in Schulen ist Lyrik mein Thema. Der Kern ist, verschiedene Perspektiven kennen zu lernen, Berührungsängste zu verlieren und einen Einblick in die zeitgenössische Lyrikszene zu bekommen. Wichtig ist es mir dabei nicht nur mit Texten aus dem deutschsprachigen Raum zu arbeiten, sondern auch mit Übersetzungen.
Herzlichen Dank für das Interview, und alles Gute für deine "Projekte", insbesondere für den Roman ...
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