©M.G.Braudisch
"... SICH VON EINER SEHNSUCHT GETRIEBEN INS UNGEWISSE ZU BEGEBEN"

Martin Heidl interviewt: David Bröderbauer
Ein virtuelles Interview mit David Bröderbauer - dem Autor der Romane "Wolfssteig" und "Waltauchen" - in Italien weilend und dem Interviewer in Senftenberg in NÖ ausharrend - also virtuell ist für mich schon per Mail Fragen stellen und auf Antworten hoffen ...


DUM: Sie sind Waldviertler und studierter Biologe, wann hat Sie die Literatur gefunden?

Bröderbauer: Das Schreiben - und Lesen - hatte schon als Kind einen hohen Stellenwert. Ich habe mich immer als Schreibender verstanden, auch wenn ich mit Beginn des Studiums kaum noch geschrieben habe. Mit Mitte Dreißig habe ich dann Ernst gemacht und den ersten Roman zu schreiben begonnen.

Das Waldviertel als Lebensort, Inspiration und Rückzugsort? Als Beispiel für die Spuren der Lebenslinien, die als Metapher für das große Ganze dienen?

Das Waldviertel interessiert mich als reale Region mit ihren Eigenheiten, die zum Teil auch die meinen sind. Als Ort meiner Herkunft ist es eine Quelle für autofiktionale Schöpfungen in meinen Texten. Es ist mir altbekannt und gleichzeitig fremd geworden, es ist ein Spannungsfeld, das sich literarisch gut beackern lässt. Früher war das Waldviertel mein Lebensort, heute entziehe ich mich ihm, wenn es nötig ist, ohne aber davon ganz loskommen zu wollen.

Sie haben die Leondinger-Akademie besucht - ein Ort der Vernetzung, der intensiven Beschäftigung mit dem Schreiben; eine Möglichkeit durchzustarten?

Die Leondinger Akademie hat mir die Gelegenheit geboten, mich kritisch mit dem eigenen Schreiben auseinanderzusetzen und mich der Kritik anderer auszusetzen - beides ist für einen Schriftsteller wichtig. Das Vernetzen und Durchstarten wird einem durch die Akademie aber nicht unbedingt erleichtert, ich musste meinen eigenen Weg durch die Mühlen des Literaturbetriebs finden.

Der Schreibprozess als Achterbahnfahrt? Wie sehen Sie ihren Schreibprozess?

Zu schreiben bedeutet für mich, abzutauchen und den Kopf in die Wolken zu stecken. Oft ist das Schreiben auch mühselig. Schreiben ist ergebnisoffen, man geht ein Risiko ein, wenn man einen Text zu schreiben beginnt. Aber solange man nicht blind für die Schwächen im Text ist, findet sich ein Weg. Eine Achterbahnfahrt ist es für mich nicht, eher ein Orientierungslauf.

Gibt es Orte, wo das Schreiben leicht fällt bzw. Orte der Inspiration?

Vor dem Fenster darf es grün sein. Auf Berghütten fällt mir das Schreiben leicht - wenn ich die Hütte für mich allein habe. Aber auch am Schreibtisch zuhause öffnen sich Schreibräume. Die Inspiration findet mich beim Gehen, ebenso wenn ich am Klo sitze, dusche oder Zähne putze. Auch im Bett, kurz vor dem Einschlafen, tut sich etwas.

Und was brauchen Sie zum Schreiben?

Die rarsten Güter - Ruhe und Zeit.

Sie haben im Milena-Verlag in Wien nun bereits den zweiten Roman in kurzer Zeit veröffentlicht. Beide Male geht es auch um das Thema "Mann-Sein" in seinen jeweiligen spezifischen Lebenswelten. Ein Thema, das Sie bewegt?

Fragen zum "Mann-Sein" beschäftigen mich einerseits, weil ich selbst ein Mann bin, und andererseits, weil Geschlechterrollen so gut wie immer einem Wandel unterworfen sind. Die Frage, was dieser Wandel mit einem Individuum macht, finde ich sehr spannend. Als Schriftsteller finde ich es wichtig, den gesellschaftspolitischen Debatten zu Geschlechterrollen individuelle Geschichten beizustellen, die alternative Perspektiven bieten, abseits von Verkürzungen und Generalisierungen.

Ihr zweiter Roman heißt "Waltauchen" - Der Wal als Symbol für die Welt des Mannes, der seine "Orientierung" verloren hat?

Anfangs kamen keine Wale im Roman vor, sie haben sich in das Buch gedrängt, weil Wale in der Kinderwelt sehr präsent sind - in Büchern, auf Kleidung, Möbeln etc. Über die Wal-Thematik erschließt sich zum Teil die Kindheit des Protagonisten. Von den Walen war es dann nur noch ein kurzer Weg zum Wal-Tauchen. Nach Walen zu tauchen heißt für mich, sich von einer Sehnsucht getrieben ins Ungewisse zu begeben.

Natürlich muss sie kommen die Corona-Frage; wie ergeht es Ihnen in Zeiten wie diesen?

Der zweite Lockdown im Herbst hat sich mit der Veröffentlichung von "Waltauchen" überschnitten, da wurden fast alle Lesungen abgesagt. Privat ist es mir bis jetzt gut ergangen, da die Zeit sehr erfüllt war. Die politischen Auswirkungen der Pandemie bereiten mir Sorgen, es gäbe ja schon genug Krisen auf dem Planeten, und krisenmüde Menschen sind nicht unbedingt die rationalsten Wesen.

Habe unlängst beide Bücher von Ihnen übereinander liegend gesehen und entdeckte, dass beide mit einem "W" beginnen mit Tiernamen und beide genau 10 Buchstaben lang sind. Ein Zufall?

Reiner Zufall. Mein Titel für den ersten Roman war eigentlich "Im Feld", aber der Titel ging beim Verlag nicht durch, nur deshalb kam ein "W" in den Titel - "Wolfssteig" war der Kompromiss. Meiner Verlegerin hat es dann gleich gefallen, dass "Waltauchen" auch mit einem "W" beginnt, da konnte ich meinen Arbeitstitel durchbringen.

Arbeiten Sie an einem neuen Roman?

Ja.

Mögen Sie ein wenig darüber erzählen ...?

Nein! Wobei, mir fällt da ein alter Slogan ein, der mehr schlecht als recht zum Inhalt passt: Ganze Männer machen Halbe-Halbe.

Lesungen sind nun wieder erlaubt - womöglich ein kleines Zeitfenster. Kann man Sie in nächster Zeit live erleben?

Den Sommer habe ich lesefrei. Für den Herbst gibt es Pläne, etwa im Oktober in Langenlois - wenn es die Situation zulässt.

Genauer gesagt, von DUM veranstaltet, liest David Bröderbauer am Mittwoch, 20. Oktober 2021, im vierzigerhof in Langenlois, ab 19.00 Uhr, im Rahmen von "Literatur im Kino".
Herzlichen Dank für das Interview.




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