Die gebürtige Mostviertlerin Eva Lugbauer hat mit "faschaun farena fagee" einen wunderschönen Dialekt-Lyrikband in der Literaturedition Niederösterreich publiziert. DUM hat der Autorin zehn Fragen zu ihrem literarischen Schaffen gestellt.
Du hast mit einem Roman debütiert, jetzt folgt ein Lyrikband im Dialekt. In welchem Genre fühlst Du Dich wohler?
Ich experimentiere gern und will mich nicht auf ein Genre festlegen. Inhalt und Form müssen zusammenpassen, das ist wichtig. Die Inhalte des Lyrikbandes wären für mich in einem Roman nicht umsetzbar gewesen. In dem Gedichtband ging es für mich darum, Emotionen sprachlich sichtbar zu machen - und zwar die angenehmen wie auch die unangenehmen. Die unangenehmen werden von der Welt ja oft verdrängt, gerade wenn es sich um die Themen Tod, Verfall, Vergehen dreht. Die Arbeit an dem Buch war auch ein gutes Ventil, um einer gewissen Wut Ausdruck zu verleihen.
Wir durften in den letzten Jahren schon zwei Deiner Gedichte abdrucken - "faschaun" in DUM 94 / 2020 und "fafeam" in DUM 98 / 2021. Wie lange hast Du an dem Buch gearbeitet?
Das ist schwierig zu sagen. Wann beginnt die Arbeit an einem Buch? Bei der ersten Idee, die man oft noch jahrelang mit sich herumschleppt? Beim ersten geschriebenen Wort? Wann endet die Arbeit? Beim fertigen Manuskript? Beim fertigen Lektorat? Jedenfalls war das Schreiben im Dialekt anfangs ein Experiment, die Texte waren nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Dann sind die Ideen explodiert und das grobe Manuskript war innerhalb von zwei oder drei Monaten fertig. Das Abfeilen und Rundmachen der einzelnen Texte, also die Feinarbeit, hat dann noch eine Weile gedauert.
Deine Lyrik hat für mich beim Lesen sehr viel von Entschleunigung, auf die Bremse steigen, Tempo rausnehmen. Ich musste öfters an "Watching the wheels" von John Lennon denken. Wie siehst Du das?
In einem Atemzug mit John Lennon genannt zu werden, ehrt mich natürlich sehr. Sein lyrisches Ich versteht sich, wenn ich das richtig im Kopf habe, als Gegenpol zur Welt im Hamsterrad. Das wäre meinem lyrischen Ich, so wie ich es kenne, sehr sympathisch. Es will eigentlich meistens nur da sitzen und den Mond anschauen oder das Meer oder den Himmel, und lieben will es natürlich auch. Die Hektik dieser Welt ist ihm ein Gräuel. Wir leben in einer Welt, in der vor allem Schnelligkeit, Leistung, Gewinn, Zielstrebigkeit, Effizienz, Klarheit, Fitness gelobt werden. Mein lyrisches Ich hingegen lobt das Vertrödeln, Verlieren, Verirren, Verschwimmen, Verschwenden. Es sucht die Schönheit auch im "Schiachsein".
Die "Grundfarbe" Deiner Gedichte geht eher in die Richtung "dunkelgrau" als "himmelblau". In einer Veranstaltungsankündigung hab ich den Satz "Lohnt es sich überhaupt, in dieser Welt Wurzeln zu schlagen?" gelesen. Spricht da in erster Linie Dein lyrisches Ich oder bist Du selbst auch eher Pessimistin als Optimistin?
Was die Zukunft der Menschheit betrifft bin ich persönlich nicht sehr optimistisch. Es gibt viele Indizien, die auf ein schlechtes Ende hindeuten. Ich glaube aber, dass der einzelne Mensch auf dieser Welt und in dieser Gegenwart schöne Momente haben kann und so etwas wie ein gutes Leben möglich ist. Ich persönlich bin meistens ganz gerne hier, was nicht heißt, dass ich immer gut gelaunt bin. Die Gute-Laune-Mentalität nervt. Ich will auch schlecht gelaunt, grantig, melancholisch, traurig, wütend und so weiter sein, die ganze Bandbreite der Emotionen.
Ich bin ja selbst auch im Dialekt sehr verwurzelt und das Waldviertel ist nicht allzu weit vom Mostviertel entfernt, aber manche Ausdrücke hab ich nicht gekannt. Was bitte ist ein "baganschgal"?
Eines meiner Lieblingswörter, meine Großmutter hat das verwendet. Tatsächlich war ich mir anfangs nicht sicher, ob es das Wort wirklich gibt, oder ob es die Oma vielleicht erfunden hat. Ich habe dann recherchiert und im Mostviertel gibt es das Wort wirklich. Ich würde es übersetzen mit "leichte Schuhe" oder "Sandalen", auf jeden Fall Schuhe, die man im Sommer trägt.
Dialekt ist seit geraumer Zeit wieder im Vormarsch. Vor allem in der Musik. Nachdem lange Zeit Attwenger fast allein auf weiter Flur waren, gilt Dialektmusik nun wieder sehr etabliert, man denke nur an Ernst Molden, Voodoo Jürgens oder an die gebürtige Mostviertlerin Sigrid Horn. Gibt es von Deiner Seite her irgendwelche Ambitionen, selbst auch einmal zu singen? Deine Texte klingen ja von Haus aus schon sehr melodisch / rhythmisch.
Singen ist schön, aber ich kann es nicht so gut und es lenkt vom Text ab. Ich sehe mich vor allem als Schreiberin und möchte das Wort in den Mittelpunkt stellen. Das funktioniert bei gesprochenen Texten besser als bei gesungenen, finde ich - was nicht heißt, dass bei Sprechtexten keine Musik ins Spiel kommen darf. Musizieren und Sprechen zu kombinieren, das ist ja auch, was das Duo "zoat" und ich gemacht haben.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Musik, dem Duo "zoat"?
Wir hatten zufällig einen gemeinsamen Auftritt und fanden, wir könnten gut zusammenpassen. Daraufhin haben wir begonnen, zu dritt zu experimentieren. Ich habe gelesen, Viki und Anna dazu improvisiert, so sind langsam die Töne zu den Texten entstanden.
Wo lebst Du lieber und warum? In der großen Stadt oder im Mostviertel?
Den perfekten Ort habe ich noch nicht gefunden, und vielleicht gibt es ihn auch nicht. Ich versuche in mir zu Hause zu sein, unabhängig vom Ort, an dem ich wohne. Derzeit lebe ich gerne in der Stadt, es gibt vielfältige Lebensentwürfe und Gleichgesinnte, meistens mehr Weltoffenheit, Kunst an jeder Ecke. Was mir fehlt ist die Ruhe und das Grün aus dem Mostviertel. Im Mostviertel zu leben wäre für mich wahrscheinlich schwierig, ich bin mir ziemlich sicher, dass mir dort die Stadt fehlen würde, zumindest derzeit. Stadt ist gut. Land ist auch gut. Schön ist, wenn man beides haben kann.
Die Zeiten haben sich auch in Niederösterreich geändert. Viele Künstlerinnen und Künstler haben seit der umstrittenen blauschwarzen Koalition große Sorgen und Ängste, was die Zukunft der Kultur in diesem Land betrifft. Teilst Du diese Position?
Die blauschwarze Koalition in Niederösterreich ist ein Armutszeugnis und ein riesengroßer Skandal. Haltungen und Einstellungen, die höchst bedenklich sind, werden damit salonfähig, und immer salonfähiger, denn die Entwicklung ist ja schon lange zu beobachten. Es ist definitiv nicht die Richtung, in die ich finde, dass sich die Gesellschaft entwickeln sollte. Die Sorgen betreffen allerdings nicht nur Niederösterreich, die betreffen die gesamte weltpolitische Lage.
Was sind Deine nächsten literarischen Pläne?
Kontinuierlich weiter nach Worten graben, mit ihnen experimentieren, sie destillieren, an ihnen feilen. Kunst schaffen. Derzeit ist der zweite Roman in Arbeit.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute!
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