LICHTE SCHATTEN

Autor*in: DANIELA DANGL
REZENSION: Martin Heidl
Die Literaturedition Niederösterreich ist der Verlag der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich und besteht seit dem Jahr 1991. Das Ziel des Verlages ist es, zeitgenössische Literatur aus Niederösterreich zu fördern und sichtbar zu machen. In Verschränkung mit der Förderabteilung des Fachbereichs Literatur dient er zudem als Knotenpunkt und Anlaufstelle für die Kultur- und Literaturschaffenden dieses Landes.

Im Erzählband "Lichte Schatten" von Daniela Dangl wird das nördliche Waldviertel zum Ankerpunkt, von dem aus sich die Geschichten ihrer Protagonisten entfalten, deren Leben jene Färbung und deren Sprache jenen Ton haben, die dieser Region eigen sind. In den Biografien der erzählenden Stimmen zeigt sich die tiefe Verwurzelung in der Region, die Halt und Gefängnis zugleich sein kann. So wird das Schweigen der Heimat laut, Absurdes schält sich aus dem Hingenommenen und scheinbar unverrückbare Wahrheiten zeigen in der Rückschau ihre Wandelbarkeit.

Ergänzt wird der Erzählband durch Tuschezeichnungen von Beatrix Kramlovsky, die darin auf zutiefst persönliche Weise ihr Waldviertel porträtiert.

Der Bucheinband im zarten Hellgrün gehalten; das karge, harte Leben, scheinbar mit sanften Strichen belegt, wird durch die bloßfüßige Zeichnung mehr als nur angedeutet. Eine Fußfessel über dem rechten Knöchelgelenk hält dich zurück und irgendwie auch fest, an dem Ort, an die Familie; womöglich auch angekettet an einem Baumstamm, der das Fortkommen in eine aussichtslose Unendlichkeit in sich trägt.

Jede Erzählung steht für sich und doch ist ein roter Faden gesponnen - mitten hindurch durch die Waldviertler Familie. Die Generationen miteinander verwoben, netzartig versponnen, beinahe unzerreißbar. Der Autorin gelingt es, ein vielschichtiges Porträt zu zeichnen und führt uns in den 21 Erzählungen - mal nachdenklich, mal humorvoll - tief in die Zeit ihrer eigenen Kindheit, in der die Regeln und Konventionen einer vergangenen Welt galten. Die Lebensmomente, die das Eigene zulassen, sind erst mit der Beschäftigung der Familiengeschichte machbar und dem Schließen eines gewissen Friedens, der das Unfassbare übertüncht.

Die Autorin fächert das Dasein der Familie auf, von Zeit zu Zeit, von Augenblicken, die besonders scheinen, zu Augenblicken, die alltäglich verrinnen; von Erinnerung zu Erinnerung, von Übertragungen zu Überlieferungen.
Beschrieben aus unterschiedlichen Sichtweisen: heranwachsendes Kind, junge Frau, empörte Studentin ...
Die kleinen großen Augenblicke beunruhigen beim genauen Hinschauen und genau das gelingt der Autorin auf so besondere Art und Weise.

"... so viele Großmütter haben die Wangen ihrer Enkelkinder geküsst. Anderes war vielleicht so unerhört, dass man es nicht hinausposaunte. Wie viel aber bleibt von einem Leben, wenn es keine Geschichten darüber gibt? Das Einzige, was ich gegen das Vergessen tun kann, ist von Oma Hilda zu erzählen."

Die wunderbaren Dialoge und "Sprüche" im Dialekt bereiten so große Freude. Um sie zu verstehen und zu entschlüsseln, lese ich sie mir laut vor und das wird dann zum Genuss in der klangvollen Sprachmelodie.

"Da Josch is unsa Bluat ..."
"Geh bitte, daun deafat ma raukn a nimma! ... Owa blad wiad ma davo wenigstens ned! ... So woa des jetzt ned gmant. Du bist eh net blad. Hexns a bissl ... stämmig."
"I hob imma nua goawat."

"Ich warf Asche auf den Sargdeckel. Ich bekreuzigte mich. Ich weinte nicht, wie man das von einer Tochter erwarten würde."

Genau diese Erwartungen gilt es zu durchbrechen; dann ist das Leben möglich. Genau das beschreibt Daniela Dangl auf so geniale Art und Weise.
Die eigenen Spuren werden erkennbar; das ist manches Mal schön, sehr oft nicht.
Ich freue mich auf weitere Erzählungen ...

DANIELA DANGL. LICHTE SCHATTEN. Erzählungen. Mit Zeichnungen von Beatrix Kramlovsky. Literaturedition Niederösterreich. 2025. ISBN 978-3-902717-80-1