BLASMUSIKPOP

AUTORin: VEA KAISER
REZENSION: Kathrin Kuna
Es wurde schon sehr viel über das Romandebüt von Vea Kaiser geschrieben. Sehr viel Gutes. Man könnte sogar von einem vielgerühmten Erstling oder auch einer vielgepriesenen Debütantin sprechen. Natürlich gab es auch kritische Stimmen, auffallend ist v. a. aber, dass es seit der "Vermessung der Welt" wieder einen Roman gab, den man plötzlich gelesen haben musste.

Man liest dieses Buch sehr schnell, obwohl es 479 Seiten lang ist. Es ist gut strukturiert und flüssig geschrieben. Gute Unterhaltung - es wird sorgfältig, genau und sauber erzählt. So ein Debüt muss man erst Mal vorlegen. Allerdings: Eine Rebellin ist hier nicht am Werk. Was wir erzählt bekommen, ist nicht innovativ oder aufregend, nicht neu.
Anfangs ist noch die Beobachtungsgabe beeindruckend, mit der die Figuren Johannes und Elisabeth beschrieben werden und das Geschehen aufgerollt wird. Ihre Liebesbeziehung scheint eine sehr besondere zu sein und wird plötzlich durch Elisabeths Betrug beendet. Hier wartet man auf eine spannende Konfrontation, doch diese verschleppt sich um eine Generation. Johannes verlässt das Dorf und kehrt erst Jahre später zurück. Sein gebrochenes Herz wird nur durch seinen Enkel wieder halbwegs heil. Fasziniert von einem Bandwurm und vertrieben durch den Betrug seiner Frau, studierte er in der Stadt Medizin und kehrte sodann als Dorfarzt zurück. Diese Schicksalsverkettungen und das Durchdringen von festgesetzten sozialen Schichten im Dorf, beschreibt Vea Kaiser ehrlich, aber nicht gnadenlos. Man kann eigentlich weder fehlende Strenge noch mangelnde Beobachtungsgabe vorwerfen, dennoch fehlt etwas.

Oberlehrerhafter Touch

Sehr schnell bekommt der Roman einen zunehmend Oberlehrerhaften Touch. Wenngleich das an Johannes (der Enkel) altmodischen Einstellung und seinem naiven Gehorsam dem Humanismus gegenüber liegt, wird man den Verdacht nicht los, dass es auch auf die Erzählerstimme umschlägt. Ulrich Rüdenauer hat nicht ganz unrecht, wenn er in seiner Besprechung auf Zeit-Online vom "Bergdoktor auf Altgriechisch" spricht.

An manchen Stellen kann man sich doch über Highlights freuen, wenn man auch dem Humor von Marcus Rosenmüller zum Beispiel nicht von Haus aus abgeneigt ist; so etwa auf der Seite 226, wo Johannes, mittlerweile auch aus der Provinz ausgebrochen mit seinen Digamma-Club-Freunden auf einen ehemaligen Volksschulkollegen trifft und inmitten des ganzen Philosophierens dieser alte Schulkollege alles durch ein ehrliches "Bam Oida!" bricht. Viel wird am Ende durch eine völlig unangebrachte Moralkeule weggefegt bzw. verkitscht. Schade!


VEA KAISER. BLASMUSIKPOP ODER WIE DIE WISSENSCHAFT IN DIE BERGE KAM. Kiepenheuer & Witsch. Köln 2012. ISBN 978-3-462-04464-5