KOMETEN

AUTORIN: Elisabeth R. Hager
REZENSION: Kathrin Kuna
Elisabeth R. Hagers Debüt handelt von Bubi Bergerer, der in Berlin alles zu viel wird, die Männer, die Drogen, die Fragen ohne Antworten. Sie verabschiedet sich von ihrem zukünftigen Exfreund, Bernd. Schon hier am Anfang des Romans fällt der einfühlsame, auf eine offene und wahrhaft ehrliche Art und Weise bedingungslose Ton der Erzählerin auf: "Er hatte ihr beigestanden, und sie ihm. Und es hatte wirklich einmal eine tiefe, fein gesponnene Vertrautheit zwischen ihnen bestanden. Seit Wochen allerdings agierten sie nur noch gefühllos aus, was sie dereinst in der tonlosen Sprache der Verliebtheit verabredet hatten."

Einmal sind es die beschriebenen Momente die eine zeitlose Schönheit vermitteln, dann wieder liegt diese in der poetischen Formulierung der Autorin. Sanft zu sein ohne zu verweichlichen, entschlossen und tatkräftig, aufrichtig und wahrheitsliebend ohne dabei zu hart ins Gericht mit den anderen zu gehen, darum geht es Bubi. Sie muss ihren Weg zu sich selbst finden, nicht wieder sondern eigentlich das erste Mal richtig. Sie flieht aus dem Leben, das sie sich in Berlin aufgebaut hatte und das v. a. so aussah: "Am Abend ging sie zum letzten Mal mit Jana und Kate ins Tante Horst, die Kneipe, in der sie sich oft zu dritt an den Rand der Heiserkeit geraucht und geredet hatten. Dort saßen sie wie immer in der roten Plüschecke, schauten auf die um die Uhrzeit verwaiste Oranienstraße und schworen sich ewige Freundschaft auf facebook und myspace und überhaupt."

Schwanger nach drogengetränkter Nacht

Und sie kehrt zurück in ihr Elternhaus nach Tirol, wo sie feststellen muss, dass sie schwanger ist. Vermutlich nicht von ihrem zukünftigen Exfreund, Bernd, sondern von Hans, den sie in einem Club kennen gelernt hatte und mit dem sie nur eine drogengetränkte Nacht verbracht hatte. Der Dialog darüber mit der Mutter, ist eine der stärksten Stellen des Romans. Es wird nicht nur die Begegnung zwischen Mutter und Tochter in einer sehr erfrischend versöhnlich-ehrlichen Weise beschrieben, Elisabeth R. Hager stellt hier eindrucksvoll dar, was es heißt, wenn die Geheimnisse von zwei sich liebenden und vertrauten Menschen, die Geschichten zweier Generationen aufeinanderprallen. Wie an allen anderen Stellen fehlte es auch hier nicht an Humor:

B: Ich bin schwanger... Und vielleicht ist es von dem Arschloch, das gerade angerufen hat!
Annemarie stand auf, nahm die Schale mit den halb geklopften Schnitzeln von der Anrichte, wickelte in Zeitlupe eine Schicht Frischhaltefolie darum und stellte sie zurück in den Kühlschrank.
A: ...Und ich dachte schon, du hättest Krebs.


Erzählt man das Leben einer jungen Frau, die auf der Suche nach Wahrheit und sich selbst ist, die in Berlin lebt und liebt, sich dann in der Heimat auf eine Tiroler Hütte zurückzieht, nachdem sie festgestellt hat, dass sie schwanger und ihr Vater nicht ihr biologischer Vater ist - dann ist man nicht gefeit davor Klischees zu bemühen. Elisabeth R. Hager umgeht diese allerdings elegant und dort, wo sie nicht zu umgehen sind, dort nutzt sie sie intelligent und - wie schon gesagt - sehr humorvoll. Als Bubi beispielsweise langsam die Droge in ihr wirken spürt auf der Alm, klingt das so: "Bubi lehnte sich nach vorne und sah ihr Spiegelbild auf dem Wasser tanzen. "Moral!", rief sie in die gegenüberliegende Felswand. "Oral!", schallte es von der Felswand zurück."

Griff nach den Sternen

Am Ende führt Bubi der Roadtrip sogar noch nach Rom. Obgleich dies der Höhepunkt der Handlung ist, hat Bubi längst zu sich gefunden. Bei sich ankommen heißt ja nun wirklich nicht ausschließlich alles Bisherige zurückzulassen und vollkommen ausgeglichen im Neuen zu sein, zeigt Elisabeth R. Hager in ihrem Buch. Nein, es heißt sich spüren und kennen, zunächst einfach mehr in jedem einzelnen Moment, dann schön langsam im großen Ganzen: "Sie sah lächerlich aus, doch es kümmerte sie nicht. Sie selbst hatte sich auf diese Spur geschickt und würde darauf bleiben, bis sie das Ziel ihrer Reise erreicht hatte." Eine gut strukturierte Geschichte mit einer konsequent erzählten Hauptfigur von einer neuen, jungen, entschiedenen Frauenstimme aus Österreich. Elisabeth R. Hager kennt sich mit Kometen aus und greift literarisch nach den Sternen. Und das zu Recht und erfolgreich!

ELISABETH. R. HAGER. KOMETEN. Milena Verlag. 2012. ISBN 978-3-85286-220-0