CANT LÄSST GRÜSSEN

AUTOR: ALOIS BRANDSTETTER
REZENSION: WOLFGANG KÜHN
Alois Brandstetter, der in Oberösterreich geborene und in Klagenfurt lebende Schriftsteller, der seit seinem Klassiker "Zu Lasten der Briefträger" zu den bekanntesten österreichischen Nachkriegsautoren zählt, beweist mit seinem neuesten, bei Residenz erschienen Roman, eindrucksvoll, dass er auch mit siebzig noch lange nicht zum alten Eisen zählt. Das neue Buch liefert uns einen Autor, der nach wie vor großen Spaß am Schreiben hat. Geschickt schlüpft Alois Brandstetter in die Rolle des Cantschen Schreibgehilfen, der für den großen Meister einen lange hinaus gezögerten Brief an Maria von Herbert aus Klagenfurt schreibt, die sich aus Liebeskummer und purer Verzweiflung 1791 bzw. 1793 in zwei Briefen um Trost und Rat an den großen Denker gewandt hat.

Diese historisch belegten Briefe der Maria von Herbert aus Klagenfurt bieten dem "Klagenfurter" Alois Brandstetter eine wundersame und große Spielwiese, um einen gewitzten Brief in Romanform entstehen zu lassen, der ihm von historischen Grundfesten ausgehend, immer wieder Seitenhiebe auf das südlichste Bundesland Österreichs oder Österreich erlaubt. Man sieht den spitzbübisch grinsenden Autor förmlich vor sich, wie er als unschuldiger Amanuensis des großen Immanuel Kant aus der Vergangenheit liebevolle Giftpfeile in die Gegenwart abschickt - Verglichen mit Königsberg klingt "Clagenfurth", das doch eigentlich ursprünglich "Klagenfurth" geheißen haben wird, wirklich ein wenig "beklagenswerth", um nicht zu sagen "kläglich" oder, Gott bewahre, erbarmungswürdig oder gar erbärmlich.

Nordlichter und Barfüßige

Auf 235 kurzweiligen Seiten versucht der Icherzähler dem Fräulein Maria von Herbert von einem in ihrem zweiten Brief angekündigten Besuch in Königsberg, der Heimat Kants in ausschweifender Art und Weise abzuraten, ihr dabei jedoch ständig Ratschläge erteilend, sollte sie doch eines Tages unvermutet in Königsberg auftauchen: Und sprechet bitte deutlich und deutsch. Vermeidet Eure grobmundartliche österreichische Haussprache, er würde Euch in dieser nicht verstehen. Deutsche Hauptsprache statt österreichischer Haussprache! Die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland begleiten uns wie ein roter Faden durch das Buch. Es herrscht eine große Alterität (Fremdheit) zwischen dem österreichischen Süden und dem deutschen Norden. Die Bayern stehen dazwischen. Und sie verachten die einen und die anderen, die Nordlichter, wie sie sagen, und die Barfüßigen, wie sie die Österreicher gern verspotten.

Brandstetter präsentiert uns in "Cant läßt grüßen" aber auch einen mitunter schrulligen Philosophen, der uns des Öfteren im Versuch sich vom großen Dichter der damaligen Zeit, einem gewissen Göthe, zu distanzieren, begegnet. Auf der einen Seite der große Sturm und Drang Dichter, der holden Weiblichkeit nicht abgeneigt, Auszeichnungen und Ehrungen durchaus zugetan, den Obrigkeiten ebenso, auf der anderen Seite der nahezu asketisch lebende große Denker, der das weibliche Geschlecht meidet wie der Teufel das Weihwasser, der der bildenden Kunst ebenso wie der Musik entsagt und für den Auszeichnungen und Ehrungen ein Gräuel sind - Er würde, sagte er mit einem Wortspiele, wie er sie so sehr liebet, "einen Baum aufstellen", wenn man nach ihm oder ihm zu Ehren einen Baum aufstellen oder anpflanzen möchte …

Fazit: Ein unterhaltsames Buch, das uns zeigt, dass sich manches in den letzten zweihundert Jahren vielleicht doch nicht so sehr verändert hat, wie wir oft glauben.

ALOIS BRANDSTETTER, CANT LÄSST GRÜSSEN, Residenz Verlag, 2009, ISBN 978-3-7017-1526-8