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ZWISCHEN FRANKFURT UND WIEN

Wolfgang Kühn interviewt: Michael Ziegelwagner
Der 1983 in St. Pölten geborene Autor Michael Ziegelwagner hat im Jubiläumsjahr 2014 mit seinem Romandebüt "Der aufblasbare Kaiser" ein beeindruckendes Stück Literatur abgeliefert, das es auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat.

DUM: "Der aufblasbare Kaiser" ist ein sehr österreichisches Buch. Wie wurde es in Deutschland von den Medien bzw. vom Publikum bei den Lesungen rezipiert?
Ich glaube, dass die österreichische Sprache in Deutschland gern gehört wird. Meine Figuren sprechen kein Standarddeutsch, allerdings auch keinen expliziten Dialekt, so dass man es mit einigem guten Willen auch als Deutscher verstehen kann - ausgenommen ein paar Spezialausdrücke, und ausgenommen einige Sätze des Monarchisten Doktor Veverka, der Tschechisch spricht. Dafür werden vielleicht in Deutschland die diskutierten Themen des Buches weniger verstanden: Die politischen Anspielungen, die monarchistischen Debatten, das erschließt sich wohl eher einem in Österreich sozialisierten Leser.

DUM: Deine Protagonistin Vera Beacher gerät in die "Monarchistenfalle". Glaubst Du, gibt es in Österreich einen Nährboden für Monarchisten? Gerade die selbsternannten "Landesfürsten" sind ja die politisch mächtigsten und die mit dem meisten Zulauf. Oder ist das einfach nur das Sehnen nach einer "starken Führung"?
Es gab mal einen Nährboden, v.a. in der Zwischenkriegszeit. Dass Otto Habsburg gegen Ende der Ersten Republik verlangte, als Hitlergegner zum Bundeskanzler bestellt zu werden, war ja nicht ganz aus der Luft gegriffen: gerade unter den Austrofaschisten Dollfuß und Schuschnigg war die Sympathie für den Monarchismus verbreitet.
Die Beliebtheit der heutigen Landeshauptleute ist vielleicht ein Ausfluß dieser monarchischen Sympathie. Gutsherrengemüter wie Erwin Pröll oder Jörg Haider werden und wurden ja von ihrem Landesvolk nicht als Politiker wahrgenommen, sondern als überparteiliche Kümmerer, unbürokratisch, über Parlamenten und Systemen stehend; als besorgte Väter im direkten Kontakt mit ihren Landeskindern, streng, aber liebevoll. Für sie gilt weiterhin der Anspruch Kaiser Franz Josephs, er strebe danach, seine "Völker vor ihren Politikern zu schützen".

DUM: Die Herren des "Legitimistischen Clubs" sind ja allesamt sehr schrullige Charaktere. Ich nehme an, Du hattest großen Spaß, sie zu erfinden. Oder gibt es für die eine oder andere Figur reale Vorlagen?
Schrullig, aber unterschiedlich! Es gibt da harmlose Kaffeehauskäuze, Mitglieder von katholischen Studentenverbindungen, tschechische Nationalisten, charmante junge Herren und antisemitische Reaktionäre. Manche der Figuren sind äußerlich realen Monarchisten nachgebildet, die ich vor ca. zehn Jahren zufällig getroffen habe. Der Abend, den ich damals mit ihnen verbrachte, diente als Vorbild für das zweite Kapitel des "Aufblasbaren Kaisers". Beschrieben wird darin etwa ein betrunkener junger Herr mit permanent zugekniffenem Auge - so, als würde er es für ein Monokel trainieren. Dieses Detail ist echt. So etwas hätte ich mich nicht zu erfinden getraut.

DUM: "Der aufblasbare Kaiser" hat es diesen Sommer auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft. Mit so etwas kann man nicht unbedingt rechnen. Wie sehr hat Dich das überrascht?
Doch sehr. Allerdings hatte ich einige Wochen vorher einen Hinweis: Eine recht enthusiastische Rezension im deutschen "Tagesspiegel". Die Rezensentin stellte sich nach kurzem Googeln als Mitglied in der Buchpreis-Jury heraus. Da ahnte ich schon etwas.

DUM: Inwieweit hat sich diese Nominierung auf die Verkaufszahlen und das Interesse der Medien ausgewirkt?
Inzwischen gibt es die zweite Auflage. Stärkeres Medieninteresse habe ich nicht festgestellt. Österreichische Zeitungen haben sich vor einer Besprechung überhaupt weitgehend gedrückt.

DUM: Bei der Lektüre von "Der aufblasbare Kaiser" läuft vorm geistigen Auge unweigerlich ein Film ab. Man kann sich die Mitglieder des "Legitimistischen Clubs" so richtig schön ausmalen. Gibt es Ideen oder gar schon Pläne den Roman zu verfilmen?
Das stelle ich mir schwer vor. Vieles, was in dem Buch passiert, spielt doch in der Gedankenwelt von Vera Beacher. Ein Film bräuchte zur Umsetzung wohl eine Erzählerstimme - etwas, was ich in Filmen überhaupt nicht leiden kann. Vielleicht sollte das Buch Buch bleiben? Zumal ich bezweifle, dass Verfilmbarkeit ein Qualitätsmerkmal von Literatur ist?

DUM: Du bist Redakteur des Satiremagazins "Titanic". Wie kann man sich da Deine Arbeit vorstellen?
Alle zwei Wochen fahre ich nach Frankfurt, konferiere und schmause mit meinen Kollegen und überlege, was sich im nächsten Heft machen läßt. Jeder sucht sich sein Lieblingsthema heraus, bastelt seinen Artikel, und wer kein Thema findet, bekommt eines zugeteilt. Wer fertig ist, sucht sich neue Themen. Zwischendurch wird auch die Titanic-Homepage befüllt, werden Briefe und Mails beantwortet, wird getrunken und Unfug getrieben. Außerdem hat jeder seine Rubrik zu verwalten: in meinem Fall ist das die "Humorkritik", eine Rezensionsplattform für Komisches und komisch Gemeintes aus den Bereichen Literatur, Film, Fernsehen, Zeitung, Internet und Alltag.
Es ist ein sehr schöner Beruf.

DUM: Immer mehr österreichische Autorinnen und Autoren der jüngeren Generation landen bei großen deutschen Verlagen und feiern dort beachtliche Erfolge. Ich denke da nur an Milena Michiko Flašar (Wagenbach), Vea Kaiser (Kiepenheuer & Witsch), Reinhard Kaiser-Mühlecker (Hoffmann & Campe), Robert Seethaler (Hanser Berlin), Clemens Setz (Suhrkamp) und natürlich Michael Ziegelwagner (Rowohlt Berlin). Salopp gefragt - was haben die Österreicher was die Deutschen nicht haben?
Schwierige Frage. Bei Durchsicht der von Dir genannten Beispiele scheint mir das Wort "Kaiser" auf dem Buchcover von Vorteil zu sein.

DUM: Du lebst in Wien und Frankfurt am Main. Wie siehst Du den Ort Deiner Kindheit (St. Pölten) aus der Entfernung? Kannst Du Dir vorstellen, irgendwann einmal dorthin zurückzukehren?
Je länger ich aus St. Pölten weg bin, desto lieber habe ich es. Ich kehre oft zurück. St. Pölten scheint mir eine gute Stadt für die Pension zu sein, mit ca. 87 Jahren möchte ich gerne wieder dort wohnen, am liebsten zentral. Auf dem Rathausplatz etwa.

DUM: Was sind Deine nächsten literarischen Pläne?
Genug Zeit, Kraft und Geld zu haben, um weiterhin Romane schreiben zu können.

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